12 - Tod Bei Vollmond
Nachdruck verleihen zu können, muß ich vorher noch einiges herausfinden.«
Eadulf unterdrückte einen Seufzer. Er hatte bereits oft miterlebt, wie Fidelma schon viele schwierige Fälle löste, doch noch nie hatte sie versucht, zuversichtlich zu wirken, wenn sie eigentlich beunruhigt war. Wieder kam es ihm so vor, als sei aus der einst so selbstsicheren, siegesgewissen dálaigh , in die er sich verliebt hatte, ein anderer Mensch geworden. Seit Alchús Geburt hatte sie sich verändert, das war nicht zu leugnen.
Er hatte des öfteren gehört, daß Frauen nach der Geburt eines Kindes anders wurden: Sie unterlagen Stimmungsschwankungen und wurden Opfer von Verzweiflungsattacken. Die Gelehrten von Tuam Brecain, der medizinischen Hochschule, die er einst besucht hatte, meinten, daß dies zu den rätselhaften Dingen zählte, die eine Geburt bei Frauen auslösen konnte.
Die Ärzte gingen davon aus, daß dies die Folgen des großen Blutverlusts waren. Das Herz bildete ihrer Ansicht nach die Kraftquelle für das Gehirn, und es kontrollierte auch den Blutfluß. Bei Blutmangel wurde das Gehirn unterversorgt, was zu Ängsten und Depressionen führte. Daher waren die Frauen niedergeschlagen, erschöpft und ruhelos und fühlten sich von den Anforderungen des Alltags überfordert.
Dagegen war ein Kraut gewachsen. Wie hieß es doch gleich? Aber es würde sicher schwierig sein, Fidelma davon zu überzeugen, es einzunehmen. Als ihm auf einmal der Name des Mittels einfiel, hellte sich seine Miene auf.
Im selben Moment trat Accobrán mit Goll und dessen verweinter Frau ein. Eadulf murmelte Fidelma rasch eine Entschuldigung zu, ging zur Tür und nahm Accobrán beim Arm.
»Tanist, ich muß wissen, ob es in der Festung einen Färber gibt.«
»Ein dathatóir ?« fragte Accobrán leise.
»Ja«, entgegnete Eadulf. »Es gibt doch hier sicher eine dathatóirecht , eine Werkstatt, wo Stoffe gefärbt werden?«
»Nun, wenn du die Schmiede auf der Ostseite der Festung findest, so stößt du gleich daneben auf Mochtas Werkstatt. Er färbt nicht nur die Kleider des Fürsten, sondern …«
Eadulf hörte ihm nicht weiter zu, sondern eilte los. Accobrán schüttelte den Kopf, während er dem Angelsachsen hinterherschaute. Dann ging er zu Fidelma, die gerade Goll und Fínmed begrüßte. Der Holzfäller schien recht aufgebracht zu sein.
»Ich bin gekommen, dálaigh , um dir zu sagen, daß mein Sohn unschuldig ist«, fing er streitlustig an. »Außerdem möchte ich erklären, daß ich ein troscud abhalten werde, bis mein Sohn mit unbeschadetem Ansehen wieder frei ist.«
Fidelma bemühte sich, das Lächeln zu unterdrücken, das sich ungewollt um ihren Mund legte. Sie zog die Augenbrauen hoch und versuchte sich zu konzentrieren. Sie wirkte äußerst resolut.
Nun trat Fínmed mit flehender Gebärde vor. »Mein Mann ist zu allem entschlossen, Lady. Ich habe mit ihm geredet. Doch wir wissen beide, daß Gabrán unschuldig ist. In einem Moment der Schwäche hat er versucht, davonzulaufen, aus Angst, weil …«
Goll schnaubte höhnisch. »Worte werden ihm nicht die Freiheit wiedergeben. Ich bin darauf eingestellt …«
»Ohne Essen und Trinken auszukommen, bis man ihn freiläßt«, vollendete Fidelma den Satz. Erst im vorigen Jahr war sie bei der Lösung eines Falles einem Fürsten begegnet, der einem Volk mit einem troscud drohte, das die Bedeutung und den tiefen Sinn dieser Maßnahme nicht kannte. Golls Ankündigung gefiel ihr gar nicht.
»Hör zu, Goll. Hör mir gut zu, Holzfäller. Ein troscud ist das letzte Mittel, auf das man zurückgreifen sollte. Der langsame Hungertod stellte eine Waffe dar, mit der man nicht drohen sollte. Meinst du denn, es wäre moralisch gerechtfertigt, deinen Sohn auf diese Weise freizukaufen, falls er schuldig ist? Die Folgen davon hättest du dann auf dich zu nehmen.«
Goll schob ungestüm das Kinn vor. »Ich weiß, daß mein Sohn unschuldig ist, mich kann niemand von meinem Vorhaben abbringen.«
Traurig schüttelte Fidelma den Kopf. »Fínmed, also wende ich mich an dich. Du bist viel vernünftiger als dein Mann und dein Sohn. Nimm deinen Mann und nimm deinen Sohn, und dann kehrt zusammen heim. Deine beiden Männer haben hitziges Blut, Fínmed.«
Fínmed und Goll starrten sie an, als hätten sie ihre Worte nicht verstanden.
»Habe ich mich deutlich genug ausgedrückt?« fragte Fidelma. »Nehmt Gabrán und geht nach Hause. Ihm wird kein Verbrechen vorgeworfen – er hat nur den Fehler gemacht, nicht an das
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