12 - Wer die Wahrheit sucht
nahm eine Zigarette heraus und zündete sie an, zog tief daran und sagte nichts. Die Trägheit seiner Bewegungen war reine Herausforderung.
»Adrian!«, hörte Margaret sich kreischen und war entsetzt, die Stimme ihrer Mutter zu hören, diese Putzfrauenstimme mit den Untertönen von Hoffnungslosigkeit und Furcht, die kaschiert werden mussten, indem man sie Wut nannte. »Antworte mir, verdammt noch mal. Ich lasse mir das nicht bieten. Ich bin nach Guernsey gekommen, um deine Zukunft zu sichern, und ich werde nicht zulassen, dass du mich behandelst wie -«
»Was?« Er drehte sich nach ihr um. »Wie was? Wie ein Möbelstück? Das man mal hierhin, mal dorthin schiebt? So wie du mich behandelst?«
»Das ist nicht -«
»Glaubst du, ich weiß nicht, worum es geht? Worum es immer gegangen ist? Um deine Wünsche. Um deine Pläne.«
»Wie kannst du so etwas sagen? Ich habe gearbeitet. Ich habe geschuftet. Ich habe organisiert. Ich habe alles getan. Mehr als mein halbes Leben lang habe ich mich bemüht, aus deinem Leben etwas zu machen, worauf du stolz sein kannst. Aus dir jemanden zu machen, der mit seinen Geschwistern mithalten kann. Aus dir einen Mann zu machen.«
»Da kann ich nur lachen. Du hast alles getan, um einen Versager aus mir zu machen, und jetzt, wo ich einer bin, tust du alles, um mich loszuwerden. Glaubst du denn, ich bin blind? Glaubst du, ich weiß das nicht? Das ist doch das Einzige, worum es dir geht. Schon seit dem Moment, als du aus dem Flugzeug gestiegen bist.«
»Das ist nicht wahr. Das ist gemein und undankbar von dir, und du sagst das nur -«
»Nein. Wir sollten vielleicht erst mal zusehen, dass wir auf einer Linie sind, wenn es dir so wichtig ist, dass ich selbst was unternehme, um mir zu holen, was mir zusteht. Du willst doch nur, dass ich mir das Geld hole, damit du mich abschieben kannst. ›Keine Ausflüchte mehr, Adrian. Du bist jetzt auf dich allein gestellt.‹«
»Das ist nicht wahr.«
»Glaubst du, ich weiß nicht, was für ein Verlierer ich bin? Was für eine Peinlichkeit für dich?«
»Sag so etwas nicht. Das darfst du nie sagen.«
»Wenn ich ein Vermögen in den Händen habe, gibt es keine Entschuldigungen mehr. Dann nichts wie raus aus deinem Haus und raus aus deinem Leben. Ich hätte gegebenenfalls sogar genug Geld, um mich selbst in die Klapsmühle einzuweisen.«
»Ich möchte, dass du bekommst, was du verdienst. Gott im Himmel, siehst du das denn nicht?«
»Doch, doch, ich sehe es«, antwortete er. »Ich sehe es. Aber wie kommst du eigentlich auf die Idee, ich hätte nicht schon, was ich verdiene, Mutter?«
»Du bist sein Sohn.«
»Eben. Das ist es ja. Sein Sohn.«
Adrian starrte sie an, lange und eindringlich. Margaret begriff, dass er ihr eine Botschaft senden wollte, und sie spürte die Intensität dieser Botschaft in seinem Blick, wenn nicht in den Worten. Sie hatte plötzlich den Eindruck, sie wären einander fremd geworden, zwei Menschen mit Vergangenheit, die bis zu diesem Punkt, an dem ihre Wege sich zufällig gekreuzt hatten, nichts miteinander zu tun gehabt hatten.
Aber in dem Gefühl von Fremdheit und Distanz lag Sicherheit. Anders hätte die Gefahr bestanden, dass das Undenkbare sich in ihre Gedanken gedrängt hätte.
Sie sagte ruhig: »Zieh dich an, Adrian. Wir fahren in die Stadt. Wir müssen uns einen Anwalt nehmen und haben wenig Zeit.«
»Ich schlafwandle«, sagte er, und endlich klang er wenigstens halbwegs erschüttert. »Ich tue alles Mögliche.«
»Darüber brauchen wir gerade jetzt wirklich nicht zu diskutieren.«
Nach dem Gespräch im Hotelzimmer trennten sich St. James und Deborah. Sie würde festzustellen versuchen, ob es einen zweiten deutschen Ring wie den gab, den sie in der Bucht gefunden hatten. Er würde Guy Brouards Erben aufsuchen. Beider Ziel war im Wesentlichen dasselbe - ein Motiv für den Mord zu finden.
Nachdem St. James sich eingestanden hatten, dass die deutlichen Anzeichen für Planung und Vorsatz stark gegen eine Schuld der Geschwister River sprachen, war er damit einverstanden, dass Deborah in Begleitung Cherokees zu Frank Ouseley hinausfuhr, um mit diesem über seine Sammlung von Andenken aus der Besatzungszeit zu sprechen. Wenn man sich's recht überlegte, war sie in Begleitung eines Mannes sicherer, falls sich herausstellen sollte, dass sie mit einem Mörder sprach. Er selbst würde die Besuche bei den Leuten, die von Guy Brouards Testament am meisten profitierten, allein machen.
Zunächst fuhr er nach La Corbiere,
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