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12 - Wer die Wahrheit sucht

12 - Wer die Wahrheit sucht

Titel: 12 - Wer die Wahrheit sucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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nicht, dass ein Gerichtswissenschaftler aus London zu ihm kam, weil er sich einen Wintergarten bauen lassen wollte.
    St. James sagte: »Ihren Garten hat es ja ganz schön erwischt. Ich hätte nicht gedacht, dass hier auf der Insel Vandalismus ein Problem ist.«
    »Sind Sie hergekommen, um ihn zu inspizieren?«, fragte Moullin. »Gehört so was zu Ihren Aufgaben?«
    »Haben Sie die Polizei angerufen?«
    »Das war nicht nötig.« Moullin zog ein Metallmaßband aus seiner Tasche und maß das Stück Glas ab, das er abgeschnitten hatte. Er hakte eine der Zahlen auf der Papierserviette ab und lehnte die Scheibe vorsichtig an einen Stapel von vielleicht einem Dutzend weiteren, die er bereits zugeschnitten hatte. »Das war ich selbst«, sagte er. »Es war an der Zeit.«
    »Ich verstehe. Gartenneugestaltung.«
    »Lebensneugestaltung. Meine Mädels haben damit angefangen, als meine Frau uns verlassen hat.«
    »Sie haben mehrere Töchter?«, fragte St. James.
    Moullin schien die Frage zu bedenken, ehe er antwortete. »Ich habe drei.« Er drehte sich um und griff zu einem neuen Stück Glas. St. James nutzte die Gelegenheit und trat näher. Er musterte die Pläne und Zeichnung über der Werkbank. Die Worte Yates, Dobree Lodge, Le Vallon gaben darüber Auskunft, für wen der kunstvolle Wintergarten bestimmt war. Die anderen Zeichnungen zeigten Fenster im alten Stil. Sie waren für das Graham-Ouseley-Kriegsmuseum.
    St. James beobachtete Henry Moullin eine Weile bei der Arbeit, bevor er etwas sagte. Moullin war ein schwerknochiger Mann, der kräftig und gesund aussah. Seine Hände waren muskulös, das war trotz der Heftpflaster zu erkennen, mit denen sie kreuz und quer verklebt waren.
    »Sie haben sich geschnitten«, sagte St. James. »Das ist wahrscheinlich ein Berufsrisiko.«
    »Das kann man sagen.« Moullin zog den Schneider einmal und noch einmal mit einer Selbstverständlichkeit durch das Glas, die seiner Bemerkung widersprach.
    »Sie machen neben Wintergärten auch Fenster?«
    »So steht's in den Plänen.« Er hob den Kopf und drehte ihn zu der Wand mit den Zeichnungen. »Wenn's Glas ist, mach ich's, Mr. St. James.«
    »Und dadurch ist Guy Brouard auf Sie aufmerksam geworden?«
    »Richtig.«
    »Sie sollten die Fenster für das Museum machen?« St. James wies auf die Zeichnungen. »Oder haben Sie die ohne Auftrag entworfen?«
    »Ich hab alle Glasarbeiten für die Brouards gemacht«, antwortete Moullin. »Ich hab die ursprünglichen Gewächshäuser auf dem Besitz demontiert, hab den Wintergarten gebaut, die Fenster im Haus ausgetauscht. Wie ich schon sagte, wenn's Glas ist, mach ich's. Das gilt natürlich auch für das Museum.«
    »Aber Sie sind doch sicher nicht der einzige Glaser auf der Insel. Bei den Mengen von Gewächshäusern, die ich hier gesehen habe! Das wäre unmöglich.«
    »Nein, der Einzige nicht«, bestätigte Moullin. »Nur der Beste. Brouard hat das gewusst.«
    »Und deshalb hat er Ihnen logischerweise auch die Glasarbeiten für das Museum übertragen?«
    »So könnte man sagen.«
    »Aber soweit ich unterrichtet bin, kannte niemand die genauen Pläne für den Bau. Jedenfalls bis zum Abend der Party nicht. Dass Sie dann trotzdem schon Zeichnungen angefertigt haben... Haben Sie sich dabei nach den Plänen des hiesigen Architekten gerichtet? Ihren Zeichnungen nach hätten die Fenster zu seinem Entwurf gepasst.«
    Moullin hakte den nächsten Punkt auf der Papierserviette ab und sagte: »Sind Sie hergekommen, um über Fenster zu reden?«
    »Warum nur eine?«, fragte St. James.
    »Eine was?«
    »Eine Tochter. Sie haben drei, aber Brouard hat in seinem Testament nur eine bedacht. Cynthia. Ihre - ist sie Ihre Älteste?«
    Moullin nahm sich das nächste Glas vor und machte wieder zwei Schnitte. Mit Hilfe des Maßbands prüfte er das Ergebnis. »Ja, Cyn ist meine Älteste«, sagte er.
    »Haben Sie eine Idee, warum er gerade sie ausgesucht hat? Wie alt ist sie übrigens?«
    »Siebzehn.«
    »Schon mit der Schule fertig?«
    »Sie macht eine Weiterbildung in St. Peter Port. Er meinte, sie solle studieren. Gescheit genug ist sie, aber hier gibt's keine Universität. Sie hätte nach England gehen müssen. Und England kostet Geld.«
    »Das Sie nicht hatten, nehme ich an. Und sie auch nicht.«
    Bis zu dem Tag, an dem er gestorben ist. Der Satz hing unausgesprochen zwischen ihnen.
    »Richtig. Am Geld hat's gehapert. Tja, wir haben Glück gehabt.« Moullin drehte sich an seinem Arbeitstisch um und sah St. James an. »Ist das alles,

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