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12 - Wer die Wahrheit sucht

12 - Wer die Wahrheit sucht

Titel: 12 - Wer die Wahrheit sucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Gestank der angebrannten Milch.
    »... diesem Unfug ein Ende machen«, sagte Adrians Mutter gerade. »Ich werde diesem Burschen schon den Marsch blasen, darauf kannst du dich verlassen. Wenn er sich einbildet, er kann hier einfach reinspazieren, ohne zu fragen... als wäre er der Herr im Haus, obwohl er ganz offensichtlich nichts weiter ist als ein gemeiner kleiner -«
    »Mutter!« Adrian hatte Paul an der Tür bemerkt, und bei diesem einen Wort wurde auch das Wikingerweib aufmerksam, wie Paul sah.
    Sie war damit beschäftigt gewesen, den Herd zu wischen, jetzt aber richtete sie sich hoch auf und drückte den Spüllappen in ihren großen beringten Fingern zusammen. Sie sah ihn mit einem solchen Ausdruck des Abscheus von oben bis unten an, dass Paul schauderte und wusste, dass er sofort von hier weg musste. Aber nicht ohne seinen Rucksack und die Botschaft, die er enthielt.
    »Du kannst deinen Eltern ausrichten, dass wir uns in dieser Testamentsangelegenheit einen Anwalt nehmen«, sagte das Wikingerweib. »Wenn du dir eingebildet hast, du könntest dir auch nur einen Penny von Adrians Geld unter den Nagel reißen, irrst du dich gewaltig. Ich werde dich vor jedes Gericht schleppen, das ich auftreiben kann, und wenn ich mit dir fertig bin, wird von dem Geld, das du Adrians Vater abgeluchst hast, nichts mehr da sein. Hast du mich verstanden? Du wirst nicht siegen. Und jetzt verschwinde hier, und lass dich nie wieder blicken, sonst hetze ich dir die Polizei auf den Hals. Und deinen Köter lasse ich einschläfern.«
    Paul rührte sich nicht. Ohne seinen Rucksack konnte er nicht gehen, aber er wusste nicht, wie er zu ihm gelangen sollte. Er lag dort, wo er ihn hingeworfen hatte, neben einem Tischbein mitten in der Küche, und die Brouards versperrten ihm den Weg. Er hatte Angst, ihnen nahe zu kommen.
    »Hast du nicht gehört?«, fuhr das Wikingerweib ihn an. »Ich habe gesagt, du sollst verschwinden. Dich will hier niemand haben, auch wenn du offenbar anderer Meinung bist. Du bist hier nicht gern gesehen.«
    Paul überlegte, dass er den Rucksack erreichen könnte, wenn er unter den Tisch kroch. Gedacht, getan. Adrians Mutter war mit ihren Worten noch nicht am Ende, da lag er schon auf allen vieren und robbte über den Boden.
    »Was soll das?«, rief sie. »Was macht er jetzt wieder?«
    Adrian schien Pauls Absicht zu erkennen. Er griff im selben Moment nach dem Rucksack, als Paul seine Finger um die Riemen schloss.
    »Mein Gott, dieser kleine Gauner hat etwas gestohlen!«, kreischte das Wikingerweib. »Das ist ja die Höhe! Halt ihn auf, Adrian.«
    Adrian versuchte es. Aber die Bilder, die bei dem Wort gestohlen vor Pauls innerem Augen abliefen - die Durchsuchung des Rucksacks, die Entdeckung, die Fragen, die Polizei, eine Zelle, die Angst, die Scham -, gaben ihm eine Kraft, die er sonst nicht aufgebracht hätte. Er riss so fest an den Riemen, dass Adrian Brouard das Gleichgewicht verlor und krachend gegen den Tisch stürzte. Er fiel auf die Knie und schlug mit dem Kinn auf die Holzplatte. Seine Mutter schrie auf, und Paul nutzte die Gelegenheit. Er packte den Rucksack und sprang auf die Füße.
    Er rannte den Korridor hinunter zur Tür zum Gemüsegarten. Der war zwar von einer Mauer umgeben, aber er hatte eine Pforte, die aufs Gelände hinausführte. Dort gab es Verstecke, von denen die Brouards keine Ahnung hatten. Er brauchte es also nur in den Garten zu schaffen, dann war er sicher.
    Während er durch den Korridor lief, hörte er das Wikingerweib zuerst rufen: »Darling, hast du dir wehgetan?«, und dann: »Los, fang ihn ein, verdammt noch mal. Adrian! Hinterher!« Aber Paul war schneller als die beiden Brouards. Als Letztes hörte er: »Er hat was in dem Rucksack«, dann fiel die Tür hinter ihm zu, und er floh mit Taboo zur Gartenpforte.
    Deborah war erstaunt, als sie das Talbot Valley sah. Es erinnerte sie, auch wenn es kleiner war, an die Täler in Yorkshire, wo sie und Simon ihre Flitterwochen verbracht hatten. Im Lauf von Jahrmillionen von Flüssen geformt, bestand es auf der einen Seite aus sanft gewellten, grünen Matten, auf denen, durch Eichenhaine vor der Sonne und dem gelegentlichen rauen Wetter geschützt, die hellbraunen Rinder der Insel grasten. Die Straße zog sich auf der anderen Seite entlang, unter einem steil aufragenden Hang, der mit schwarzen Granitmauern befestigt war. Die Mauern wurden von Eschen und Ulmen gesäumt, und über ihnen stieg das Land zu Bergweiden an. Das Gebiet unterschied sich vom

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