12 - Wer die Wahrheit sucht
Zimmer eingesperrt?«
»Sie macht gerade eine schwierige Phase durch«, sagte Valerie Duffy endlich und widmete sich wieder den Blumen, den Blättern und den Beeren, während sie sprach. »Bei Mädchen in ihrem Alter ist das ganz normal.«
»Was sind das für Phasen, die Hausarrest erforderlich machen?«
»Solche, wo nicht mit ihnen zu reden ist. Nicht vernünftig, meine ich. Wo sie nicht auf Argumente hören wollen.«
»Und worüber kann man nicht vernünftig mit ihnen reden?«
»Was sie sich in den Kopf gesetzt haben.«
»Und was ist das bei Ihrer Nichte?«
»Keine Ahnung.«
»Das hat mir Ihr Bruder aber anders dargestellt«, erwiderte St. James. »Er sagte, Sie seien die Vertraute seiner Nichte. Er vermittelte mir den Eindruck, dass Sie einander sehr nahe stehen.«
»So nah auch wieder nicht.« Sie trug eine Hand voll Blätter zum offenen Kamin und warf sie hinein. Aus der Tasche ihrer Schürze zog sie einen Lappen und staubte damit den Tisch ab.
»Sie finden es also in Ordnung, dass er sie im Haus einsperrt, solange sie in dieser schwierigen Phase steckt?«
»Das habe ich nicht gesagt. Ich wünschte, Henry würde nicht -« Sie brach ab, hielt im Staubwischen inne und schien zu versuchen, sich neu zu sammeln.
St. James sagte: »Warum hat Mr. Brouard ihr Geld hinterlassen? Ihr und den anderen Mädchen nicht? Da hinterlässt jemand einer Siebzehnjährigen auf Kosten ihrer Geschwister und seiner eigenen Kinder ein kleines Vermögen. Warum? Was sollte das?«
»Sie war nicht die Einzige. Wenn Sie von Cyn wissen, dann haben Sie auch von Paul gehört. Sie haben beide Geschwister, er hat noch einige mehr als Cyn. Keines dieser anderen Kinder wurde bedacht. Vielleicht hat's ihm Spaß gemacht, sich vorzustellen, was so ein Batzen Geld unter Geschwistern für einen Aufruhr anrichten könnte.«
»Ihr Bruder meinte etwas anderes. Er sagt, das Geld sei für die Ausbildung Ihrer Nichte bestimmt.«
Valerie wischte, wo längst kein Staub mehr war.
»Er hat mir außerdem erzählt, Guy Brouard hätte ›seine Launen‹ gehabt. Ich frage mich, ob eine dieser Launen ihn das Leben gekostet hat? Wissen Sie, was ein Elfenrad ist, Mrs. Duffy?«
Ihre Hand bewegte sich langsamer. »Aberglaube.«
»Einheimischer Aberglaube, vermute ich«, sagte St. James. »Sie sind doch hier geboren, nicht wahr? Sie beide, Sie und Ihr Bruder?«
Sie hob den Kopf. »Henry war es nicht, Mr. St. James.« Sie sagte es ruhig. Die Ader an ihrem Hals pulsierte, sonst zeigte sie keine Nervosität über die Tendenz von St. James' Worten.
»Ich dachte eigentlich nicht an Henry«, erwiderte St. James. »Hatte er denn Grund, Guy Brouard den Tod zu wünschen?«
Sie wurde brennend rot bei dieser Frage und beugte sich wieder über den Tisch.
»Wie ich sehe, war er in Mr. Brouards Museumspläne eingebunden. In die ursprünglichen Pläne, nach den Zeichnungen in seiner Werkstatt zu urteilen. Sollte er auch an dem revidierten Projekt mitarbeiten? Wissen Sie das?«
»Henry ist ein guter Glaser«, war alles, was sie sagte. »Darüber sind die beiden überhaupt zusammengekommen. Mr. Brouard brauchte jemanden für den Wintergarten hier. Er ist groß und ungewöhnlich. Dutzendware konnte er nicht gebrauchen. Und er suchte jemanden für die Gewächshäuser und die Fenster. Ich hab ihm Henry empfohlen. Sie haben miteinander gesprochen und sich gleich verstanden. Seitdem hat Henry für ihn gearbeitet.«
»Und so kam es, dass sich Mr. Brouards Interesse auf Cynthia richtete?«
»Mr. Brouard hat sich für viele Menschen interessiert«, erklärte Valerie geduldig. »Für Paul Fielder. Frank Ouseley. Nobby Debiere. Henry und Cynthia. Er hat sogar Jemima Abbott auf eine Modelschule in London geschickt und ihrer Mutter unter die Arme gegriffen, wenn sie was brauchte. Er hat Anteil genommen. Er hat in andere investiert. Das war seine Art.«
»Wenn man in etwas investiert, erwartet man im Allgemeinen einen Ertrag«, bemerkte St. James. »Es muss nicht immer ein finanzieller sein.«
»Dann sollten Sie vielleicht jeden von ihnen mal fragen, was Mr. Brouard von ihm erwartet hat«, sagte sie spitz. »Am besten fangen Sie mit Nobby Debiere an.« Sie knüllte das Staubtuch zusammen und schob es wieder in ihre Schürzentasche, ging zur Haustür zurück und hob die Wäsche auf, die sie dort abgelegt hatte. Das Bündel auf die Hüfte gestemmt, drehte sie sich nach St. James um. »Wenn Sie sonst keine -«
»Warum Nobby Debiere?«, fragte St. James. »Das ist doch der
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