12 - Wer die Wahrheit sucht
versuchte, ihn einen Schritt zurückzuziehen.
Sein Vater riss sich los. »Nein! Wir sind diesen Männern verpflichtet. Wir schulden ihnen was, und ich werde die Schuld bezahlen. Ich habe überlebt, Frank. Drei von ihnen sind tot, und ich bin immer noch am Leben. So viele Jahre später, wo sie auch noch leben und Großväter sein könnten, Frank. Urgroßväter inzwischen. Aber das ist ihnen alles genommen worden, von einem gottverdammten Quisling, der endlich seine Strafe kriegen muss. Hast du das verstanden, Junge? Es ist Zahltag!«
Er wehrte sich gegen Frank wie ein renitenter Teenager, aber ohne dessen jugendliche Kraft. Frank wollte nicht grob werden, weil sein Vater so gebrechlich war, aber das machte es umso schwieriger, ihn zu bändigen.
Die Rothaarige sagte: »Er hält uns anscheinend für Journalisten. Wir haben versucht, ihn aufzuklären. Wir wollten nämlich eigentlich mit Ihnen sprechen.«
»Gehen Sie raus«, sagte Frank und schwächte den schroffen Befehl ab, indem er hinzufügte: »Nur eine Minute. Bitte.«
River und die Rothaarige gingen. Frank wartete, bis sie draußen waren. Dann zog er seinen Vater vom Aktenschrank weg und stieß die Schublade zu, wobei er zähneknirschend sagte: »Du gottverdammter alter Narr.«
Diese Beschimpfung kam bei Graham an. Frank schimpfte selten und nie auf seinen Vater. Seine treue Ergebenheit dem Vater gegenüber und die tiefe Verbundenheit mit ihm, die auf den gemeinsamen Interessen und einer lebenslangen Gemeinschaft gründete, hatten stets jeden Impuls des Zorns oder der Ungeduld erstickt, der sich gelegentlich beim sturen Eigensinn seines Vaters bemerkbar machte. Dies hier jedoch sprengte die Grenzen des Erträglichen. In Frank brach ein Damm - den er in den vergangenen zwei Monaten so sorgfältig aufgebaut hatte -, und aus seinem Mund sprudelte ein Strom von Beschimpfungen, von denen er bisher nicht einmal gewusst hatte, dass sie zu seinem Wortschatz gehörten.
Graham schreckte vor dem Ton zurück. Seine Schultern krümmten sich nach vorn, seine Arme fielen herab, und die trüben Augen hinter den dicken Brillengläsern füllten sich mit Tränen der Frustration und des Erschreckens.
»Ich wollte doch nur...« Sein stoppeliges Kinn verzog sich weinerlich. »Ich hab's doch nur gut gemeint.«
Frank wappnete sich. »Jetzt hör mir mal zu, Dad«, sagte er. »Die zwei sind keine Journalisten. Verstehst du, was ich sage? Das sind keine Journalisten. Der Mann. er ist.« Lieber Gott, wie sollte er das erklären? Und wozu überhaupt. »Und die Frau.« Er wusste nicht einmal, wer die Frau war. Er glaubte, sie bei Guys Beerdigung gesehen zu haben, aber was sie hier in der Mühle zu suchen hatte - und mit dem Bruder der River. Auf diese Frage musste er sofort eine Antwort haben.
Graham starrte ihn völlig verwirrt an. »Sie haben gesagt... Sie sind hergekommen, weil sie...« Und diesen Gedankengang plötzlich vergessend, klammerte er sich an Franks Schulter und rief: »Es ist Zeit, Frank. Ich kann jeden Tag sterben. Jeden Tag. Ich bin als Einziger noch übrig. Du verstehst das doch, nicht wahr? Sag mir, dass du's verstehst. Sag mir, dass du's weißt. Und wenn wir unser Museum nicht bekommen sollen...« Er packte fester zu, als Frank für möglich gehalten hätte. »Frankie, ich kann nicht zulassen, dass sie umsonst gestorben sind.«
Frank fühlte sich wie durchbohrt von diesem letzten Satz, als hätte er nicht nur seinen Leib, sondern auch seine Seele durchstoßen. Er sagte: »Dad, um Gottes willen«, aber er konnte nicht weitersprechen. Er zog seinen Vater an sich und umarmte ihn fest. Den Kopf an der Schulter seines Sohnes, schluchzte Graham einmal auf.
Frank hätte am liebsten mit ihm geweint, aber ihm fehlten die Tränen. Und selbst wenn er einen See voll Tränen in sich getragen hätte, er hätte ihn nicht überfließen lassen dürfen.
»Ich muss es tun, Frankie«, wimmerte sein Vater. »Es ist wichtig. Wirklich.«
»Das weiß ich«, sagte Frank.
»Dann...« Graham löste sich von seinem Sohn und wischte sich die Wangen mit dem Ärmel seines Tweedjacketts.
Frank legte seinem Vater den Arm um die Schultern und sagte: »Wir besprechen das später, Dad. Wir finden schon einen Weg.« Er drängte ihn zur Tür, und da die »Journalisten« nirgends zu sehen waren, ließ Graham es geschehen, als hätte er völlig vergessen, dass sie da gewesen waren.
Frank führte ihn zurück zum Wohnhaus, dessen Tür immer noch offen stand. Er half seinem Vater hinein und brachte
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