12 - Wer die Wahrheit sucht
stolzer Größe und unübertrefflichen Muts hinterlassen hatte.
Damit hatte es angefangen, mit diesem Drang, wie er zu sein, der so grundlegend und tief verankert war, dass Frank sich oft gefragt hatte, ob Söhne von der Zeugung an darauf programmiert waren, vollkommene Übereinstimmung mit dem väterlichen Bild anzustreben. Wenn das nicht möglich war - wenn die Figur des Vaters zu gewaltig war, ihr auch Gebrechlichkeit oder Alter nichts anhaben konnten -, musste etwas anderes gefunden werden, was dem Sohn als unwiderlegbarer Beweis dafür dienen konnte, dass er dem Vater an Größe in nichts nachstand.
Hier, in dem kleinen Lagerhaus, betrachtete Frank die konkreten Zeugnisse seiner eigenen Größe. Die Idee zu der Sammlung von Kriegsandenken und die Sammlung selbst, für die jahrelang alles von der Gürtelschnalle bis zum Gewehr zusammengetragen worden war, waren gewachsen wie die reiche Vegetation rund um die Mühle: wild, üppig, ungehindert. Ihren Ursprung hatten sie gewissermaßen in einem Koffer voller Sachen, die Grahams Mutter aufgehoben hatte: Lebensmittelkarten, Luftschutzvorschriften, Bezugscheine für Kerzen. Diese Habseligkeiten, entdeckt und aufmerksam betrachtet, hatten die Grundlage des großen Projekts gebildet, das Frank Ouseleys Leben definiert und seine Liebe zum Vater veranschaulicht hatte. Die Anhäufung von Dingen war seine Art gewesen, der ganzen Verehrung, Bewunderung und tiefen Freude Ausdruck zu verleihen, für die er lange keine Worte gefunden hatte.
Die Vergangenheit begleitet uns immer, Frankie. Diejenigen unter uns, die ein Teil von ihr waren, müssen die Erfahrung an die Nachkommenden weitergeben. Wie sonst sollen wir verhindern, dass das Böse sich ausbreitet? Wie sonst sollen wir das Gute ehren?
Gab es ein besseres Mittel, diese Vergangenheit zu bewahren und in vollem Umfang zu würdigen, als sie andere zu lehren, nicht nur im Schulzimmer, wie er das jahrelang getan hatte, sondern ebenso durch Konfrontation mit den Relikten einer lang vergangenen Zeit? Sein Vater hatte Blätter der Untergrundzeitung G.I.F.T. verschiedene Nazi-Bekanntmachungen, eine Luftwaffenmütze, ein Parteiabzeichen, eine rostige Pistole, eine Gasmaske und eine Karbidlampe aufbewahrt. Mit sieben Jahren hatte Frank, der Junge, diese Stücke in seinen Händen gehalten und sich der Sache einer großen Sammlung verschrieben.
Fangen wir doch an zu sammeln, Dad. Machst du mit? Das würde Spaß machen, meinst du nicht? Hier auf der Insel liegt bestimmt ein Haufen Zeug herum.
Es war kein Spiel, mein Junge. Glaub ja nicht, dass es ein Spiel war. Verstehst du mich?
O ja, er verstand. Er verstand wirklich. Das war ja die Qual. Er verstand. Es war nie ein Spiel gewesen.
Frank vertrieb die Stimme seines Vaters aus seinem Kopf, aber an ihrer Stelle wurde etwas anderes laut, eine Erklärung sowohl der Vergangenheit als auch der Zukunft, die aus dem Nichts kam und Worte brachte, deren Ursprung er gut zu kennen glaubte, ohne ihn nennen zu können. Es geht um die Sache, es geht um die Sache, ganz bestimmt. Er wimmerte wie ein Kind, das in einem bösen Traum gefangen ist, und zwang sich, dem Albtraum ins Auge zu sehen.
Die Schublade des Aktenschranks hatte sich, wie er jetzt bemerkte, nicht ganz geschlossen, als er sie zugestoßen hatte. Er näherte sich ihr zaghaft wie ein unerfahrener Soldat, der ein Minenfeld überqueren soll. Als er sie erreichte hatte, krümmte er die Finger um den Griff der Schublade und erwartete beinahe, sich daran zu verbrennen, als er zog.
Er war endlich in dem Krieg, in dem er immer hatte dienen wollen, um seine Tapferkeit zu beweisen. Er wusste endlich, wie es war, wenn man Hals über Kopf vor dem Feind fliehen wollte, um sich an einem sicheren Ort zu verstecken, einem Ort, den es in Wirklichkeit nicht gab.
Als Ruth Brouard nach Le Reposoir zurückkehrte, sah sie, dass ein Trupp Polizisten das Gelände verlassen hatte und zur Straße weitergerückt war, von wo die Männer sich zu der Abzweigung vorarbeiteten, die zur Bucht hinunterführte. Ihre Arbeit in Le Reposoir selbst schien beendet zu sein. Jetzt würden sie an der Böschung und in den Hecken suchen - vielleicht sogar in den Waldgebieten und den Feldern dahinter -, um zu finden, was immer sie brauchten, um die Richtigkeit dessen zu beweisen, was sie über den Tod ihres Bruders wussten oder zu wissen glaubten. Sie beachtete sie nicht. Was sie in St. Peter Port erfahren hatte, hatte sie beinahe ihre letzte Kraft gekostet und drohte, ihr
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