12 - Wer die Wahrheit sucht
jetzt gab es insgesamt vier Hefte, in die die einzelnen Stücke nach Kategorien geordnet eingetragen waren. Er hatte ein Verzeichnis für Kleidungsstücke, eines für Orden und Abzeichen, eines für Waffen und Munition, eines für Schriftstücke. Eine Durchsicht des Verzeichnisses über Orden und Abzeichen, zeigte River und der Rothaarigen, dass ein Ring ihrer Beschreibung bisher nicht zum Vorschein gekommen war. Das bedeutete allerdings nicht, dass nicht irgendwo in der riesigen Ansammlung ungesichteten Materials noch einer lag. Das war auch den Besuchern klar, wie Frank gleich feststellen musste.
Ob die übrigen Orden und Abzeichen alle an einem Ort aufbewahrt würden, wollte Deborah St. James wissen, oder ob sie über die ganze Sammlung verteilt seien. Sie sprach natürlich von den Orden und Abzeichen, die noch nicht katalogisiert waren.
Nein, antwortete Frank, sie würden nicht an einem Ort aufbewahrt. Nur solche Artikel, die schon gesichtet und katalogisiert waren, erklärte er, würden gesondert aufbewahrt. Die Behälter waren sorgfältig gekennzeichnet, weil man mühelosen Zugriff hatte haben wollen, wenn es Zeit wurde, die Ausstellungsstücke für das Kriegsmuseum auszuwählen, und jedes Stück bekam bei der Eintragung in das entsprechende Verzeichnis sowohl eine Artikel- als auch eine Behälternummer.
»Da im Katalog kein Ring verzeichnet war...«, sagte Frank bedauernd und vollendete den Satz mit beredtem Schweigen: Gebe es wahrscheinlich überhaupt keinen Ring, es sei denn, er befände sich irgendwo in dem Durcheinander, das noch geordnet und sortiert werden musste.
»Aber es waren Ringe im Katalog«, sagte River.
Deborah St. James fügte hinzu: »Es könnte doch jemand beim Sortieren so einen Totenkopfring gestohlen haben, ohne dass Sie es gemerkt hätten, meinen Sie nicht?«
»Und das könnte jeder gewesen sein, der irgendwann mal mit Guy hier war«, ergänzte River. »Paul Fielder. Adrian Brouard. Der kleine Abbott.«
»Vielleicht«, sagte Frank, »aber ich wüsste nicht, warum jemand das hätte tun sollen.«
»Wahrscheinlich könnte der Ring Ihnen auch zu einem anderen Zeitpunkt gestohlen worden sein, richtig?«, überlegte Deborah St. James laut. »Ich meine, würden Sie es denn überhaupt merken, wenn von dem noch nicht katalogisierten Material etwas gestohlen würde?«
»Das käme wohl darauf an, worum es sich handelt«, erwiderte Frank. »Ein großes Stück, etwas Gefährliches. das würde ich wahrscheinlich merken. Bei einem kleinen Gegenstand -«
»- wie einem Ring«, warf River ein.
»- würde es mir möglicherweise nicht auffallen.« Frank sah die befriedigten Blicke, die sie tauschten, und sagte: »Aber warum ist das alles eigentlich so wichtig?«
»Fielder, Brouard und Abbott.« River sprach mit der Rothaarigen, nicht mit Frank, und wenig später verabschiedeten sich die beiden. Sie dankten Frank für seine Hilfe und eilten zu ihrem Wagen. Er hörte noch, wie River auf irgendeine Bemerkung der Frau sagte: »Sie können ihn alle aus unterschiedlichen Gründen gewollt haben. Aber China wollte ihn nicht, ganz sicher nicht.«
Zuerst glaubte Frank, River bezöge sich auf den Totenkopfring. Aber dann wurde ihm klar, dass die beiden von dem Mord sprachen: dass jemand Guys Tod gewollt, vielleicht dringend gebraucht hatte. Weil er gewusst hatte, dass der Tod vielleicht das einzige Mittel war, um eine drohende Gefahr abzuwenden.
Er fröstelte und wünschte, er wäre ein frommer Mann mit einem Gott, der ihm die fehlenden Antworten geben und den rechten Weg zeigen würde. Er schloss die Tür des Lagerhauses und sperrte die Gedanken an den Tod - vorzeitigen, unnötigen, ganz gleich - aus, um sich dem Sammelsurium von Kriegsandenken zuzuwenden, die seit Jahren sein Leben und das seines Vaters bestimmten.
Lange hatte es immer wieder geheißen: Schau, was ich hier hab, Frankie!
Und: Fröhliche Weihnachten, Dad. Du errätst nie, wo ich das hier gefunden habe.
Oder: Denk daran, wer diese Pistole abgefeuert hat, mein Junge. Denk an den Hass, der auf diesem Abzug lag.
Alles, was er jetzt besaß, war zusammengetragen worden, um eine untrennbare Verbundenheit mit einem Titanen zu schaffen, einem Giganten an Charakter, Würde, Mut und Stärke. Wie er konnte man nicht werden - man konnte nicht einmal hoffen, so zu werden und zu leben, wie er gelebt hatte, zu überstehen, was er überstanden hatte -, darum eiferte man ihm nach und setzte wenigstens ein kleines Zeichen, wo der Vater ein Zeichen
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