12 - Wer die Wahrheit sucht
hat Bescheid gewusst«, fiel Adrian ihr schroff ins Wort. »Sie hat genau gewusst, was er wollte, und sie hat mitgemacht.«
»Unmöglich!« Margaret packte ihn fest beim Arm. Es war Zeit, dass er in den Kampf zog, wenn er auch nur einen Funken Kampfgeist besaß; wenn nicht, würde sie es für ihn tun, bei Gott. »Er muss ihr erzählt haben...« Was?, fragte sie sich. Was hatte Guy seiner Schwester erzählt, um sie glauben zu machen, das, was er vorhatte, diene dem Wohl aller: seinem, ihrem, dem seiner Kinder. Was hatte er gesagt?
»Es ist erledigt«, sagte Adrian. »Wir können das Testament nicht ändern. Wir können nichts daran ändern, wie er das alles ausgetüftelt hat. Wir können es nur hinnehmen.« Er schob die Hand in die Tasche seiner Lederjacke und nahm wieder das Streichholzheftchen heraus. Dazu eine Packung Zigaretten. Er zündete sich eine Zigarette an und lachte leise, obwohl seine Miene keine Spur von Erheiterung zeigte. »Der gute alte Dad«, sagte er kopfschüttelnd. »Er hat uns alle aufs Kreuz gelegt.«
Margaret fröstelte bei seinem emotionslosen Ton. Sie versuchte es anders. »Adrian, Ruth ist eine gute Seele. Sie ist absolut fair. Wenn sie erfährt, wie tief dich das verletzt hat -«
»Hat es nicht.« Adrian zupfte eine Tabakfaser von seiner Zunge, inspizierte sie und schnippte sie auf die Straße.
»Sag so was nicht. Warum musst du immer so tun, als könnte dein Vater -«
»Ich tue nicht so. Ich bin nicht verletzt. Was hätte das für einen Sinn? Und selbst wenn ich gekränkt wäre, würde es keine Rolle spielen. Es würde überhaupt nichts ändern.«
»Wie kannst du so etwas -? Sie ist deine Tante. Sie liebt dich.«
»Sie war dabei«, sagte Adrian. »Sie kannte seine Absichten. Und, glaub mir, sie wird nicht einen Fußbreit davon abweichen. Schon gar nicht, da sie aus der Geschichte schon genau weiß, was er wollte.«
Margaret runzelte die Stirn. »›Sie war dabei‹? Wo? Wann? Welche Geschichte?«
Adrian trat aus dem Schatten des Gebäudes. Er klappte den Kragen seiner Jacke hoch und setzte sich in Richtung zum Royal Court House in Bewegung. Margaret hielt das für ein Manöver, die Beantwortung ihrer Frage zu vermeiden. Sofort erwachte ihr Argwohn. Und mit ihm ein bösartiges Gefühl der Angst. Sie hielt ihren Sohn am Fuß des Kriegerdenkmals auf und stellte ihn unter dem düsteren Blick dieses schwermütigen Soldaten zur Rede.
»Was läufst du mir einfach so davon? Wir sind hier noch nicht fertig. Was war das für eine Geschichte? Warum hast du mir nichts gesagt?«
Adrian warf seine Zigarette in Richtung einer Gruppe Motorroller, die wild durcheinander geparkt nicht weit von dem Denkmal standen. »Dad wollte nicht, dass ich etwas von seinem Geld bekomme«, sagte er. »Weder jetzt noch später. Tante Ruth weiß das. Selbst wenn wir uns jetzt an sie wenden - an ihre Loyalität oder ihre Fairness appellieren oder wie du es sonst nennen willst -, sie wird nicht vergessen, was er wollte, und wird sich einzig danach richten.«
»Woher soll sie wissen, was Guy zur Zeit seines Todes wollte?«, fragte Margaret geringschätzig. »Natürlich, sie kann Bescheid gewusst haben, als diese ganze Schweinerei eingefädelt wurde. Sie muss Bescheid gewusst haben, um gemeinsame Sache mit ihm zu machen. Aber das ist doch der springende Punkt. Das wollte er damals. Die Menschen ändern sich. Ihre Wünsche ändern sich. Glaub mir, deine Tante Ruth wird das einsehen, wenn man es ihr klar macht.«
»Nein. Es war nicht nur damals«, entgegnete Adrian und wollte sich an ihr vorbei drängen, um zum Parkplatz zu gehen, wo sie den Rover abgestellt hatten.
»Verdammt noch mal, du bleibst jetzt hier«, sagte Margaret und hörte die Unsicherheit in ihrer Stimme. Das ärgerte sie, und sie richtete diesen Ärger gegen ihren Sohn. »Wir müssen planen, überlegen, wie wir vorgehen wollen. Keinesfalls werden wir die Situation so akzeptieren, wie dein Vater sie geschaffen hat - wie brave Christenmenschen, die auch noch die andere Wange hinhalten! Was wissen wir denn, vielleicht hat er diese Vereinbarungen mit Ruth in einem Anfall von Verärgerung getroffen und hat sie später bereut, aber natürlich nicht erwartet, dass er sterben würde, bevor er sie ändern könnte.« Margaret holte Luft und erklärte die tiefere Bedeutung dessen, was sie soeben gesagt hatte. »Jemand hat das gewusst«, erklärte sie. »Ja, so muss es sein. Jemand wusste, dass er vorhatte, alles zu ändern und dich so zu bedenken, wie es dir
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