12 - Wer die Wahrheit sucht
wenig seine Frau, die sich unaufgefordert zu ihr aufs Sofa setzte und so wachsam um sich schaute, als hätte sie den Auftrag, eine Studie über die Gesprächsteilnehmer durchzuführen. Adrian schien es überhaupt nicht zu kümmern, dass zwei Fremde eigens hergekommen waren, um mit ihm zu sprechen, und an seiner Unbekümmertheit änderte sich auch nichts, als St. James berichtete, dass aus dem Nachlass seines Vaters eine große Summe Geldes fehlte.
Margaret brauchte einen Moment, um St. James' Worte in ihrer ganzen Tragweite zu erfassen und sich klar zu machen, dass Adrians Erbschaft soeben empfindlich gekürzt worden war. So bescheiden sie ohnehin schon gewesen war, wenn man bedachte, wie sie ausfallen hätte müssen, hätte Guy nicht seinen Sohn auf hinterhältige Art und Weise um den Genuss seines Vermögens gebracht, jetzt schien sie nur noch ein Bruchteil dessen zu sein, was nach dem skandalösen Testament zu erwarten gewesen war. Margaret rief: »Wollen Sie uns allen Ernstes sagen -«
»Mutter!«, unterbrach Adrian sie. »Bitte, fahren Sie fort«, forderte er dann St. James auf.
Der Mann war offenbar nicht nur hergekommen, um Adrian darauf vorzubereiten, dass er seine Erwartungen hinsichtlich der Erbschaft nach unten würde korrigieren müssen. Als Nächstes teilte er Adrian mit, dass sein Vater einen großen Teil seines Geldes per Überweisungen aus Guernsey abgezogen hatte. Er würde gern wissen, sagte er, ob Adrian eine Ahnung habe, aus welchem Grund sein Vater große Beträge auf das Konto einer Firma in Bracknell bei einer Londoner Bank überwiesen hatte. Er habe jemanden in England, der diese Information überprüfe, aber vielleicht könne Mr. Brouard ihnen die Sache erleichtern und mit Details zu Hilfe kommen, über die er eventuell verfügte...
Was das zu bedeuten hatte, war sonnenklar, und bevor Adrian sich äußern konnte, sagte Margaret: »In welcher Eigenschaft sind Sie eigentlich hier, Mr. St. James? Bitte, verstehen Sie mich nicht falsch, aber ich sehe nicht ein, weshalb mein Sohn Ihre Fragen beantworten sollte.« Das hätte Adrian eigentlich Mahnung genug sein müssen, den Mund zu halten, aber so war es natürlich nicht.
Ohne auf Margaret zu achten, sagte er: »Ich weiß nicht, warum mein Vater irgendjemandem Geld überwiesen hat.«
»Er hat es nicht an Sie geschickt? Aus persönlichen Gründen? Für ein Geschäftsunternehmen? Oder aus irgendeinem anderen Grund? Eine Schuld, vielleicht?«
Adrian zog eine zerdrückte Packung Zigaretten aus der Tasche seiner Jeans. Er nahm sich eine Zigarette und zündete sie an. »Mein Vater hat meine geschäftlichen Unternehmungen nicht unterstützt«, sagte er. »Er hat mich auch sonst in keiner Weise unterstützt. Ich hätte es mir gewünscht, aber er hat es nicht getan. Das ist alles.«
Margaret wand sich innerlich. Er hatte keine Ahnung, wie er sich anhörte. Er hatte keine Ahnung, wie er aussah. Und natürlich musste er ihnen gleich mehr erzählen, als sie verlangt hatten. Warum auch nicht, wo das doch so eine prächtige Gelegenheit war, ihr eins auszuwischen. Sie hatten sich gestritten, und hier bot sich die Chance, die Rechnung zu begleichen, und natürlich musste er sie ergreifen, ohne sich die möglichen Folgen seiner Worte zu überlegen. Er konnte einen wirklich zur Weißglut treiben!
St. James sagte zu ihm: »Sie haben also keine Verbindung zu International Access, Mr. Brouard?«
»Was ist das?«, erkundigte sich Margaret vorsichtig.
»Das ist der Empfänger sämtlicher Überweisungen, die Mr. Brouards Vater getätigt hat. Über zwei Millionen Pfund, wie sich gezeigt hat.«
Margaret versuchte krampfhaft, nur interessiert und nicht entsetzt auszusehen, aber sie fühlte sich, als schlösse sich ein stählernes Band um ihren Leib. Sie zwang sich, ihren Sohn nicht anzusehen. Wenn Guy ihm tatsächlich Geld geschickt hatte, wenn Adrian sie auch darüber belogen hatte... Denn war nicht International Access der Name gewesen, den Adrian für das Unternehmen erwogen hatte, das er aufziehen wollte? Typisch Adrian, sich über den Namen der Firma Gedanken zu machen, noch ehe sie überhaupt offiziell war. Aber vielleicht ist sie das ja? Sein Geistesprodukt, der Geniestreich, mit dem er angeblich Millionen hätte machen können, wenn nur sein Vater ihn gesponsert hätte? Ihr gegenüber hatte er behauptet, sein Vater hätte nichts in seine Idee investiert, nicht einen Penny. Wenn das gelogen war, wenn Guy ihm in Wirklichkeit die ganze Zeit Geld gegeben
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