12 - Wer die Wahrheit sucht
Access«, bemerkte St. James.
»Was ist das?«, fragte Ruth.
»Dorthin ist sein Geld geflossen, das Geld, das er von seinem Konto hier in Guernsey überweisen ließ. Es ist eine Firma in England.«
»Ach so.« Sie schob die kleine Schreibtischlampe ein wenig näher, so dass mehr Licht auf das Gemälde fiel. »Das sind vermutlich die Leute, die es gefunden haben. Eigentlich ganz einleuchtend, nicht wahr, wenn man die riesigen Kunstsammlungen bedenkt, die in England jeden Tag gekauft und verkauft werden. Man wird Ihnen dort wahrscheinlich sagen können, wie man diesem Bild auf die Spur gekommen ist und wer daran beteiligt war, es uns zurückzubringen. Privatdetektive, höchstwahrscheinlich. Vielleicht war auch eine Galerie involviert. Er musste es natürlich kaufen. Man wird es ihm nicht einfach zurückgegeben haben.«
»Aber wenn es Ihres ist...«, sagte Deborah.
»Wie hätten wir das beweisen können? Wir hatten nur das eine Familienfoto als Beweis, und wer würde nach einem Blick auf das Foto so mir nichts, dir nichts akzeptieren, dass das Bild, das im Hintergrund an der Wand hängt, genau dieses hier ist?« Sie wies zu dem Gemälde auf dem Schreibtisch. »Wir hatten keine anderen Unterlagen. Es gab keine. Das Bild - die Dame mit dem Buch und der Feder - war seit Ewigkeiten im Besitz unserer Familie, aber abgesehen von diesem Foto hatten wir keinen Beweis dafür.«
»Hätte es nicht jemand bezeugen können, der es im Haus Ihres Großvaters gesehen hatte?«
»Diese Leute sind heute vermutlich alle tot«, sagte Ruth. »Und abgesehen von Monsieur Bombard, wären sie mir sowieso unbekannt gewesen. Guy hatte keine andere Möglichkeit, das Bild wiederzubeschaffen, als es demjenigen abzukaufen, der es besaß, und genau das hat er getan, verlassen Sie sich darauf. Ich vermute, er wollte es mir zum Geburtstag schenken. Er wollte das Einzige, was von der Familie geblieben waren, in die Familie zurückholen. Vor seinem Tod.«
Schweigend blickten sie zu dem Bild hinunter. Es war ein altes Gemälde, daran konnte es keinen Zweifel geben. Niederländisch oder flämisch, dachte St. James, ein faszinierendes Bild, ein Werk von zeitloser Schönheit, vor Zeiten zweifellos eine Allegorie sowohl für den Künstler als auch für seinen Mäzen.
»Wer sie wohl ist«, sagte Deborah. »Sicher eine Adlige, das sieht man an ihren Gewändern. Sie sind sehr edel, nicht wahr? Und das Buch. Es ist so groß. Um ein solches Buch zu besitzen - um überhaupt darin lesen zu können, damals. Sie muss eine reiche Frau gewesen sein. Vielleicht war sie eine Königin.«
»Sie ist einfach die Dame mit dem Buch und der Feder«, sagte Ruth. »Das genügt mir.«
St. James riss sich aus der Betrachtung des Gemäldes los. »Wie sind Sie plötzlich zu dem Bild gekommen?«, fragte er Ruth Brouard. »War es hier im Haus? Unter den Sachen Ihres Bruders?«
»Paul Fielder hatte es.«
»Der Junge, den Ihr Bruder unter seine Fittiche genommen hatte?«
»Ja. Er hat es mir gebracht. Margaret glaubte, er hätte etwas aus dem Haus gestohlen, weil er niemanden an seinen Rucksack lassen wollte. Aber er hatte das Bild darin, und er hat es mir sofort gegeben.«
»Wann war das?« »Heute Morgen. Die Polizei hatte ihn aus Le Bouet hergebracht.«
»Ist er noch hier?«
»Vermutlich, ja. Irgendwo auf dem Gelände, nehme ich an. Warum?« Ruths Miene zeigte Besorgnis. »Sie glauben doch nicht, er hätte das Bild gestohlen? Das hätte er nie getan. Wirklich nicht. So ist er nicht.«
»Darf ich es mitnehmen, Miss Brouard?« St. James berührte den Rand des Gemäldes. »Nur für eine Weile. Ich werde es sicher aufbewahren.«
»Warum?«
Statt ihr zu antworten, sagte er nur: »Wenn Sie nichts dagegen haben? Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen. Ich gebe es Ihnen bald wieder zurück.«
Sie sah das Bild an, als wollte sie sich nie mehr wieder von ihm trennen. Aber dann nickte sie und zog die Bücher von den beiden Enden der Leinwand weg. »Es gehört dringend in einen Rahmen«, sagte sie. »Es muss aufgehängt werden.«
Sie reichte St. James das Bild, und als er es entgegennahm, sagte er: »Ich denke, Sie wissen, dass Ihr Bruder eine Beziehung zu Cynthia Moullin hatte, Miss Brouard?«
Ruth knipste die Schreibtischlampe aus und schob sie an ihren ursprünglichen Platz zurück. Er glaubte schon, sie würde ihm keine Antwort geben, aber da sagte sie: »Ich habe die beiden zusammen überrascht. Er behauptete, er hätte es mir früher oder später ohnehin gesagt. Er
Weitere Kostenlose Bücher