12 - Wer die Wahrheit sucht
gesehen. Das habe ich gesehen. Das haben alle gesehen. Auch Carmel. Wir waren füreinander geschaffen. Es gab nur ein Problem: einen Kompromiss, auf den sie sich nicht einlassen konnte.«
»Was für einen Kompromiss? Wovon redest du?«
»Von einem nächtlichen Kompromiss.«
»Du meinst, wegen deiner Schlafwandelei? Sie hatte Angst? Sie hat nicht verstanden, dass das -«
»Ich hab ins Bett gemacht«, unterbrach er sie. Die Demütigung stand ihm ins Gesicht geschrieben. »Okay? Zufrieden? Ich hab ins Bett gepisst.«
Margaret versuchte, ihren Ekel zu unterdrücken, als sie sagte: »So was kann doch jedem mal passieren. Man hat am Abend vorher ein bisschen zu viel getrunken... Vielleicht auch ein Traum... Verwirrung darüber, nicht in den eigenen vier Wänden zu sein...«
»Jede Nacht, solange wir hier waren«, sagte er. »Jede Nacht. Sie war teilnahmsvoll, aber kann man es ihr verübeln, dass sie Schluss gemacht hat? Sogar eine unscheinbare kleine Schachspielerin, die nicht hoffen kann, einen anderen Mann zu finden, hat ihre Grenzen. Sie war bereit gewesen, sich mit dem Schlafwandeln zu arrangieren, mit den nächtlichen Schweißausbrüchen, den Alpträumen. Sogar mit meinem gelegentlichen Abwandern in den Nebel. Aber in meiner Pisse zu schlafen, das war zu viel des Guten. Und ich nehme es ihr nicht übel. Ich hab selbst siebenunddreißig Jahre lang darin geschlafen, und es ist nicht besonders angenehm.«
»Nein! Das war doch vorbei. Ich weiß, dass es vorbei war. Was hier, im Haus deines Vaters passiert ist, war ein Ausrutscher.
Jetzt, wo dein Vater tot ist, wird das nicht noch einmal vorgekommen. Ich rufe sie an. Ich sage es ihr.«
»So wichtig ist es dir, hm?«
»Du verdienst -«
»Machen wir uns doch nichts vor. Carmel war deine beste Chance, mich loszuwerden, Mutter. Es hat nur nicht so geklappt, wie du gehofft hattest.«
»Das ist nicht wahr!«
»Nein?« Er schüttelte mit spöttischer Belustigung den Kopf. »Und ich dachte, du wolltest keine Lügen mehr.« Er wandte sich zur Tür. Es gab keine Mutter mehr, die ihn daran hindern konnte, das Zimmer zu verlassen. Er öffnete die Tür und sagte im Hinausgehen: »Für mich ist das erledigt.«
»Was? Adrian, du kannst nicht -«
»Doch, ich kann«, entgegnete er. »Und ich will. Ich bin, wie ich bin, und zwar genauso - wenn wir ausnahmsweise mal ehrlich sind -, wie du mich haben wolltest. Schau dir an, wohin es uns beide geführt hat, Mutter. An einen Punkt, wo einer den anderen nicht mehr los wird.«
»Willst du mir Vorwürfe machen?«, fragte sie, entsetzt über seine Interpretation all dessen, was sie nur aus Liebe getan hatte. Kein Dank dafür, dass sie ihn beschützt hatte, dass sie ihm stets mit Rat und Tat zur Seite gestanden hatte; dass sie sich für ihn in die Bresche geworfen hatte. Mein Gott, ein kleines bisschen Anerkennung für ihr unermüdliches Interesse an ihm und seinem Leben hätte sie doch wirklich verdient gehabt! »Adrian, willst du mir Vorwürfe machen?«, rief sie noch einmal, als er nichts sagte.
Aber die einzige Antwort, die sie erhielt, war ein kurzes Lachen. Dann schloss er die Tür und war weg.
»China hat erklärt, sie hätte nichts mit ihm gehabt«, sagte Deborah zu ihrem Mann, als sie wieder draußen in der Auffahrt waren. Sie überlegte jedes Wort. »Aber sie könnte... vielleicht wollte sie es mir nicht sagen. Vielleicht ist es ihr peinlich, dass sie was mit ihm angefangen hatte, da doch gerade erst mit Matt Schluss war. Nicht aus moralischen Gründen, sondern weil... na ja, es ist alles ziemlich traurig. Es zeigt - es zeigt doch eine starke Bedürftigkeit. Und sie würde sich selbst dafür verachten, bedürftig zu sein, und könnte nicht ertragen, darüber nachzudenken, was das über sie aussagt.«
»Es würde erklären, warum sie nicht in ihrem Zimmer war«, stimmte Simon zu.
»Und es hätte jemand anderem - jemandem, der wusste, wo sie war - eine Chance gegeben, sich ihren Umhang zu schnappen, den Ring, ein paar ihrer Haare, ihre Schuhe. Es wäre ein Kinderspiel gewesen.«
»Aber nur eine Person könnte das getan haben«, sagte Simon. »Das ist dir doch klar?«
Deborah schaute weg. »Ich kann das nicht von Cherokee glauben. Simon, es gibt noch andere, die auch die Gelegenheit und vor allem ein Motiv hatten. Adrian, zum Beispiel, und Henry Moullin.«
Simon schwieg. Er beobachtete einen kleinen Vogel, der in den kahlen Zweigen einer Kastanie umherhüpfte. Seufzend sagte er ihren Namen, und Deborah begriff deutlich
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