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12 - Wer die Wahrheit sucht

12 - Wer die Wahrheit sucht

Titel: 12 - Wer die Wahrheit sucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Gesicht war, wie schmeichelnd das blonde Haar sich um den Kopf ringelte. Sie fühlte sich an Renaissance-Bildnisse erinnert. Der Junge hatte etwas ausgesprochen Feminines an sich, das die zarten Gesichtszüge und der feingliedrige Körper noch betonten. Zwar hatte es bisher so ausgesehen, als sei Guy Brouard ein Mann gewesen, dessen sexuelles Interesse ausschließlich dem weiblichen Geschlecht gegolten hatte, aber vielleicht war ja auch Paul Fielder ein Objekt seiner Begierde gewesen.
    Der Junge starrte in den offenen Holzkasten auf Deborahs Schoß. Mit langsamer Bewegung nahm er eine Hand voll der kleinen bunten Päckchen, hielt sie auf der offenen Hand und betrachtete sie. Als Deborah leise sagte: »Paul, wart ihr ein Liebespaar, du und Mr. Brouard?«, warf er die Kondome in den Kasten zurück und klappte mit lautem Knall den Deckel zu.
    Deborah sah ihn an und wiederholte ihre Frage.
    Der Junge wandte sich brüsk ab, blies die Kerzen aus und verschwand durch den Spalt, durch den sie beide gerade gekommen waren.
    Er würde nicht weinen, nahm Paul sich vor. Es hatte nichts zu bedeuten. Er war ein Mann gewesen, und nach allem, was er von Billy und seinem Vater, aus dem Fernsehen und dem hin und wieder heimlich gelesenen Playboy und von den Jungen in der Schule - wenn er tatsächlich einmal zur Schule gegangen war - gehört hatte, taten Männer so was dauernd. Dass er es hier getan hatte, in ihrem Geheimversteck... Denn er musste es hier getan haben. Was sonst konnten diese glänzenden kleinen Päckchen bedeuten. Er hatte noch jemanden mit hierher genommen, eine Frau, eine andere Person, die ihm wichtig genug war, um dieses Geheimversteck mit ihr zu teilen.
    Kannst du unser Geheimnis für dich behalten, Paul? Wenn ich dich mit hineinnehme, versprichst du mir dann, dass du nie jemandem von diesem Ort erzählen wirst? Ich denke, er ist im Lauf der Zeit von den Menschen vergessen worden. Ich möchte, dass es so lange wie möglich so bleibt. Bist du bereit...? Kannst du mir das versprechen?
    Natürlich konnte er das. Und er tat es.
    Er hatte das Feldbett bemerkt, aber er hatte geglaubt, Mr. Guy hätte es hier aufgestellt, um ab und zu ein Nickerchen zu machen oder hier zu übernachten oder vielleicht auch zum Beten oder Meditieren. Er hatte auch den Holzkasten bemerkt, aber er hatte ihn nie geöffnet, weil ihn seine Eltern und bittere Erfahrung gelehrt hatten, die Finger von Dingen zu lassen, die ihm nicht gehörten. Beinahe wäre er sogar der rothaarigen Frau in den Arm gefallen, als sie ihn öffnete. Aber sie hatte ihn schon auf dem Schoß stehen und den Deckel offen gehabt, bevor er ihn ihr wegnehmen konnte. Als er gesehen hatte, was darin war...
    Er wusste, was das für Päckchen waren. Er hatte trotzdem nach ihnen gegriffen, weil er allen Ernstes geglaubt hatte, sie würden dann verschwinden, wie das im Traum immer geschah, wenn man etwas ergreifen wollte. Aber sie waren geblieben, konkretes Zeugnis dafür, welche Bedeutung dieser Ort in Wirklichkeit für Mr. Guy besessen hatte.
    Die Frau hatte etwas gesagt, aber er hatte die Wörter nicht verstanden. Nur ihre Stimme hatte er gehört, während die steinerne Kammer sich um ihn gedreht hatte. Er hatte nur noch rauslaufen wollen, nicht mehr gesehen werden, darum hatte er die Kerzen ausgeblasen und war geflohen.
    Aber er konnte natürlich nicht einfach weglaufen. Er hatte das Schloss, und er war immer noch verantwortlich. Er konnte die Tür nicht einfach offen lassen. Er musste absperren, weil er Mr. Guy versprochen hatte...
    Und er würde nicht weinen, weil es einfach total blöd war, zu weinen. Mr. Guy war ein Mann gewesen, und Männer hatten ihre Bedürfnisse, die erfüllt werden mussten, und basta. Mit Paul oder seiner Freundschaft mit Mr. Guy hatte das nichts zu tun. Sie waren immer Freunde gewesen, vom Anfang bis zum Ende, und daran änderte auch die Tatsache nichts, dass er diesen geheimen Ort noch mit einer anderen Person geteilt hatte.
    Denn was hatte Mr. Guy denn eigentlich gesagt? Es soll unser Geheimnis sein.
    Hatte er gesagt, dass niemand sonst in das Geheimnis eingeweiht würde? Hatte er auch nur angedeutet, dass niemand sonst ihm je wichtig genug sein würde, um ihm diesen Ort zu zeigen? Nein, das hatte er nicht gesagt. Er hatte nicht gelogen. Sich also jetzt aufzuregen...
    Hey, wie magst du's am liebsten, Schwanzlutscher? Wie hat er's dir gemacht, hm?
    Das hatte Billy geglaubt. Aber so etwas war nie passiert. Wenn Paul sich mehr Nähe ersehnt hatte, so war

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