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12 - Wer die Wahrheit sucht

12 - Wer die Wahrheit sucht

Titel: 12 - Wer die Wahrheit sucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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diese Sehnsucht dem Wunsch entsprungen, ihm ähnlich zu sein, nicht eins zu sein mit ihm. Ähnlich wurde man einander, wenn man etwas miteinander teilte. Und das hatten sie hier getan.
    Geheime Orte und geheime Gedanken. Ein Ort, wo man reden kann, ein Ort, wo man sein kann. Dafür ist dieser Platz da, Prinz. Dafür nutze ich ihn.
    Er hatte ihn allem Anschein nach für mehr als das genutzt. Aber dadurch wurde er nicht entweiht, es sei denn, Paul ließ es zu.
    »Paul? Paul?«
    Er hörte sie an der Öffnung zur zweiten Kammer herumtappen. Sie musste sich den Weg ertasten, da er ja die Kerzen ausgeblasen hatte. Wenn sie es in die Hauptkammer schaffte, würde es besser werden.
    Da brannten zwar auch keine Kerzen, aber von draußen sickerte das Tageslicht herein und erzeugte im Hauptgang ein Leuchten, das tiefer drinnen schwächer wurde wie eindringender Nebel, wenn er das Innere des Hügels erreichte.
    »Bist du hier?«, fragte sie. »Ah! Da bist du ja. Du hast mich ganz schön erschreckt. Ich dachte...« Sie lachte leise, aber Paul merkte, dass sie nervös war und sich dessen schämte. Er wusste aus eigener Erfahrung, wie das war.
    »Warum hast du mich hierher gebracht?«, fragte sie. »Ist es - ist es wegen des Bildes?«
    Das hatte er beinahe vergessen. Der Anblick des geöffneten Kastens, was er ihm gezeigt und erzählt hatte. Darüber hatte er es beinahe vergessen. Er hatte sich ihr anvertrauen wollen, denn jemand musste wissen, wie es gewesen war. Miss Ruth glaubte nicht, dass er gestohlen hatte, aber bei den anderen würde der Verdacht fortbestehen, wenn er nicht irgendwie erklärte, wie er zu dem Gemälde gekommen war. Er konnte es nicht aushalten, diesen Verdacht bestehen zu lassen, denn Le Reposoir war seine einzige Zuflucht. Er wollte sie nicht verlieren, er durfte sie nicht verlieren, weil der Gedanke unerträglich war, sich zu Hause von Billy oder in der Schule von den anderen Jungen verspotten lassen zu müssen, ohne entkommen und sich je wieder auf etwas freuen zu können. Aber sich jemandem aus Le Reposoir anzuvertrauen, hätte bedeutet, das Geheimnis zu verraten, das zu bewahren er geschworen hatte: den Ort, wo der Dolmen war. Das durfte er nicht tun, darum konnte er nur mit einer Fremden sprechen, der das nicht wichtig sein würde und die nie wieder hierher käme.
    Nur jetzt... Die genaue Stelle konnte er ihr nicht zeigen. Er hatte selbst ein Geheimnis, das bewahrt werden musste. Aber irgendetwas musste er ihr zeigen, darum trat er zu dem niedrigen Opferstein und kniete vor der schmalen Vertiefung nieder, die sich, von gleicher Länge wie der Stein selbst, auf seiner Rückseite und beinahe unter ihm im Boden befand. Er nahm die Kerze aus der Mulde und zündete sie an. Er hielt sie nach unten, damit die Frau sehen konnte.
    »Hier?«, fragte sie. »Hier war das Bild?« Sie blickte von der flachen Nische zu ihm, und er hatte den Eindruck, dass sie in seinem Gesicht forschte, darum nickte er feierlich. Er zeigte ihr, wie es tatsächlich in der Nische hätte gelegen haben können, dass es, wenn es so gewesen wäre, für niemanden sichtbar gewesen wäre, der nicht auf die andere Seite des Altarsteins getreten wäre und sich niedergekniet hätte wie Paul.
    »Wie merkwürdig«, sagte die Frau leise. Aber sie lächelte ihn freundlich an. »Danke, Paul«, sagte sie. »Ich denke, du hattest nie die Absicht, das Bild zu behalten, nicht wahr? Ich habe nicht das Gefühl, dass du so ein Mensch bist.«
    »Mr. Ouseley, es ist unsere Aufgabe, Ihnen diese Übergangszeit so weit wie möglich zu erleichtern«, sagte die junge Frau zu Frank. Sie wirkte verständnisvoller, als er das bei jemandem ihres Alters für möglich gehalten hätte. »Wir sind hier, um Ihnen bei Ihrem Verlust beizustehen. Alle, was Sie über uns regeln möchten, können wir regeln. Wir sind für Sie da. Sie sollten das nutzen.«
    Das Einzige, was Frank dazu durch den Kopf ging, war der Gedanke, dass sie viel zu jung war, um die Geschäfte des Bestattungsunternehmens Markham & Swift zu leiten. Sie sah aus wie sechzehn, obwohl sie vermutlich Mitte zwanzig war, und hatte sich als Arabella Agnes Swift vorgestellt, älteste Enkelin des Firmengründers. Anteilnehmend hatte sie ihm die Hand gedrückt und ihn in ihr Büro geführt, das aus Rücksicht auf die gramgebeugten Kunden, mit denen sie im Allgemeinen zu tun hatte, so wenig büromäßig wie möglich eingerichtet war. Es sah eher aus wie Großmutters Wohnstube, mit einer Couchgarnitur, dem dazu passenden

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