12 - Wer die Wahrheit sucht
sein Vater nun Bescheid wusste oder nicht: Es war noch nicht bekannt, wie Guy Brouard über seinen Nachlass verfügt hatte.
Frank sagte: »Ich wollte heute Morgen mal die Uniformen durchsehen. Mir kam's so vor, als würden sie feucht werden.« Das war eine Lüge. Die zehn Uniformen in ihrem Besitz - von den Wehrmachtsmänteln mit den dunklen Kragen bis zu den abgewetzten Overalls, die die Fliegerabwehr der Luftwaffe getragen hatte - waren in säurefreiem Seidenpapier und luftdichten Behältern sicher aufbewahrt, für den Tag, an dem sie in die Glasvitrinen wandern würden, in denen sie fortan bleiben sollten. »Ich versteh nicht, wie das passieren konnte, aber wenn es wirklich so ist, müssen wir was tun, ehe sie anfangen, stockig zu werden.«
»Da hast du verdammt Recht«, pflichtete sein Vater ihm bei. »Darum musst du dich kümmern, Frankie. Die ganzen Klamotten. Die müssen gepflegt werden.«
»Genau, Dad«, antwortete Frank mechanisch.
Sein Vater schien zufrieden. Er ließ sich das dünne Haar kämmen und sich danach ins Wohnzimmer führen, wo Frank ihm in seinen Lieblingssessel half und ihm die Fernbedienung für das Fernsehgerät in die Hand drückte. Er hatte keine Sorge, dass sein Vater auf den Lokalsender schalten und eben jene Neuigkeiten über Guy Brouard erfahren würde, die er ihm verschweigen wollte. Die einzigen Programme, die Graham Ouseley sich ansah, waren Kochsendungen und Seifenopern. Bei Ersteren pflegte er sich aus Gründen, die seinem Sohn bis heute unklar waren, Notizen zu machen. Letztere verfolgte er wie gebannt und ließ sich beim Abendessen über die Freuden und Leiden der Protagonisten aus, als wären es seine Nachbarn.
In Wirklichkeit hatten die Ouseleys keine Nachbarn. Vor Jahren hatte es einmal welche gegeben: Zwei Familien hatten in den kleinen Häusern gewohnt, die sich in schnurgerader Reihe an die alte Mühle mit dem Namen Moulin des Niaux anschlossen. Doch nach und nach hatten Frank und sein Vater diese Häuser aufgekauft, und nun war in ihnen die riesige Sammlung untergebracht, mit der das Kriegsmuseum ausgestattet werden sollte.
Frank holte seine Schlüssel. Nachdem er im Wohnzimmer nach der Heizung gesehen und den Heizlüfter eingeschaltet hatte, da ihm die Wärme, die den alten Rohren entströmte, zu dürftig schien, ging er in das Haus hinüber, das direkt an das grenzte, in dem er und sein Vater seit zweiundvierzig Jahren lebten. Die Häuser standen, wie gesagt, alle in einer Reihe, und die Ouseleys bewohnten das am weitesten von der Mühle entfernte, deren altes Rad nachts ächzte und stöhnte, wenn der Wind durch das schmale Tal namens Talbot Valley pfiff.
Die Haustür klemmte, als Frank sie aufstoßen wollte. Der alte Steinboden war uneben, und in den Jahren, seit ihnen das Haus gehörte, hatten Frank und sein Vater es nicht für nötig gehalten, Abhilfe zu schaffen. Sie benutzten das Haus hauptsächlich als Lager, und in ihren Augen war eine Tür, die klemmte, eine Kleinigkeit im Vergleich zu all den anderen Problemen, vor die ein altes Haus seine Besitzer stellte. Es war wichtiger, dafür zu sorgen, dass Dach und Fenster dicht waren. Wenn die Heizung ordentlich funktionierte und eine Balance zwischen Trockenheit und Feuchtigkeit gewahrt werden konnte, ließ so eine widerspenstige Tür sich leicht übersehen.
Doch Guy Brouard hatte das nicht getan. Er hatte die Tür gleich bei seinem ersten Besuch bei den Ouseleys erwähnt. »Das Holz hat sich verzogen«, sagte er. »Das heißt, dass es hier feucht ist, Frank. Haben Sie Vorsorge dagegen getroffen?«
»Das ist der Boden, nicht die Feuchtigkeit«, hatte Frank erklärt. »Obwohl wir die hier leider auch haben. Wir versuchen, die Temperatur hier drinnen gleichmäßig zu halten, aber im Winter... Es ist wahrscheinlich die Nähe des Mühlbachs.«
»Was Sie brauchen, ist höher liegender Grund.«
»Ja, nur kriegt man den hier auf der Insel nicht so leicht.«
Guy hatte nicht widersprochen. Es gab auf Guernsey keine extremen Bodenerhebungen, außer vielleicht die Küstenfelsen am Südende der Insel, die steil zum Ärmelkanal abfielen. Doch die Nähe des Kanals mit der salzgeschwängerten Luft, die von ihm aufstieg, machte die Küste als Lagerort für die Sammlung ungeeignet - selbst wenn man dort Platz für sie gefunden hätte, was höchst unwahrscheinlich war.
Den Vorschlag mit dem Museum hatte Guy nicht sofort gemacht. Er hatte zunächst vom Ausmaß der Sammlung der Ouseleys keine Vorstellung gehabt, war, als er
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