12 - Wer die Wahrheit sucht
nach.
Der Flughafen bestand aus einem einzigen Gebäude am Rand einer einzigen Rollbahn, die an brachliegende Felder grenzte. Der Parkplatz war kleiner als der ihres Heimatbahnhofs in England, es war daher einfach, Adrian zu folgen. Als sie ihn einholte, war er schon dabei, ihre beiden Koffer hinten in einen Range Rover zu befördern, der, wie sie sehr schnell feststellte, für Fahrten auf den schmalen Straßen Guernseys denkbar ungeeignet war.
Sie war noch nie auf der Insel gewesen. Sie war von Adrians Vater schon geschieden gewesen, als der sich von Chateaux Brouard zurückgezogen und auf Guernsey niedergelassen hatte. Adrian jedoch hatte seinen Vater seit dessen Umzug häufig besucht, und es war ihr deshalb absolut unverständlich, warum er hier mit einem halben Möbelwagen herumkurvte, wo doch offensichtlich ein Mini das richtige Gefährt gewesen wäre. Aber sie verstand vieles nicht, was ihr Sohn tat, das galt auch für seinen jüngst gefassten Entschluss, die einzige Beziehung, die er in seinen siebenunddreißig Lebensjahren mit einer Frau gehabt hatte, zu beenden. Sie fragte sich immer noch, wie es dazu gekommen war. Er hatte zur Erklärung lediglich gesagt: »Wir hatten unterschiedliche Vorstellungen«, was sie keinen Moment lang glaubte, da sie aus einem sehr intimen Gespräch mit der jungen Frau wusste, dass Carmel Fitzgerald zu heiraten gehofft hatte, und ferner aus einem ebenso intimen Gespräch mit ihrem Sohn wusste, dass Adrian sich glücklich geschätzt hatte, eine junge, leidlich hübsche Frau gefunden zu haben, die bereit war, sich mit einem Mann zusammenzutun, der der Lebensmitte nahe war und nie anderswo als im Haus seiner Mutter gelebt hatte. Außer in diesen grauenvollen drei Monaten, als er sich an der Universität versucht hatte - aber darüber wurde am besten kein Wort verloren. Was also war geschehen?
Margaret wusste, dass sie diese Frage nicht stellen durfte, jedenfalls nicht jetzt, so kurz vor Guys Beerdigung. Aber sie würde sie stellen, und zwar bald.
»Wie wird denn die arme Ruth damit fertig, Darling?«, fragte sie.
Adrian bremste an einer Verkehrsampel ab. »Ich hab sie nicht gesehen.«
»Wieso? Kommt sie nicht aus ihrem Zimmer heraus?«
Er blickte auf die Ampel, seine ganze Aufmerksamkeit auf den Moment gerichtet, da sie auf Gelb umspringen würde. »Ich meine, ich hab sie gesehen, aber nicht gesehen. Ich weiß nicht, wie sie damit fertig wird. Sie hat es mir nicht gesagt.«
Und es würde ihm natürlich nicht einfallen, sie zu fragen. So wenig wie es ihm einfallen würde, seiner Mutter eine klare Antwort zu geben, anstatt in Rätseln zu sprechen. Margaret sagte: »Aber gefunden hat nicht sie ihn?«
»Kevin Duffy. Der Hausmeister.«
»Es muss ein schrecklicher Schlag für sie sein. Die beiden waren ja - sie waren praktisch ihr Leben lang zusammen.«
»Ich verstehe nicht, warum du hierher kommen wolltest, Mutter.«
»Guy war mein Mann, Darling.«
»Nummer eins von vieren«, sagte Adrian überflüssigerweise. Margaret wusste sehr wohl, wie oft sie verheiratet gewesen war. »Ich dachte, man ginge nur zur Beerdigung, wenn sie sterben, solange man noch mit ihnen verheiratet ist.«
»Wie kannst du so vulgär sein, Adrian!«
»Ach, das ist vulgär? Um Gottes willen, das geht natürlich nicht.«
Margaret sah ihren Sohn an. »Warum benimmst du dich so?«
»Wie?«
»Guy war mein Mann. Ich habe ihn einmal geliebt. Von ihm habe ich dich. Wenn es mein Bedürfnis ist, ihm Respekt zu zollen, indem ich an seiner Beerdigung teilnehme, dann werde ich das tun.«
Adrian lächelte auf eine Art, die an seiner Ungläubigkeit keinen Zweifel ließ. Margaret hätte ihm am liebsten eine heruntergehauen. Ihr Sohn kannte sie zu gut.
»Du hast dir immer schon eingebildet, eine gute Lügnerin zu sein. Aber so gut bist du gar nicht«, sagte er. »Meinte Tante Ruth denn, ich würde etwas - hm, was käme in Frage? - Perverses, Verbotenes, schlicht Verrücktes tun, wenn du nicht hier bist? Oder glaubt sie, dass ich es schon getan habe?«
»Adrian! Wie kannst du nur - selbst im Scherz -«
»Ich scherze nicht, Mutter.«
Margaret wandte den Kopf zum Fenster. Sie wollte nichts mehr hören von der verdrehten Denkweise ihres Sohnes.
Die Ampel schaltete um, und Adrian donnerte über die Kreuzung.
Sie fuhren durch eine von Häusern gesäumte Straße. Nachkriegsbungalows standen neben heruntergekommenen viktorianischen Reihenhäusern, an die sich hier und dort kleine Hotels lehnten, die um diese
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