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12 - Wer die Wahrheit sucht

12 - Wer die Wahrheit sucht

Titel: 12 - Wer die Wahrheit sucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Deborah, und sie wusste, dass diese Reaktion zwei verschiedene Ursprünge hatte. Einmal entsprang sie dem Glück der Freundschaft zwischen Frauen, und sie hatte ihre Wurzel auch in einer schmerzvollen Zeit ihrer Vergangenheit. China River gehörte dieser Zeit an und hatte Deborah hindurchgeholfen.
    Deborah sagte: »Ich bin so - wie soll ich es ausdrücken? - froh, dich zu sehen? Aber das klingt recht egozentrisch. Dir geht es schlecht, und ich bin froh, dich zu sehen. Ich bin eine ganz schön egoistische Ziege.«
    »Ach, ich weiß nicht.« Chinas Stimme klang nachdenklich. Dann lächelte sie. »Ich meine, die wahre Frage ist doch: Kann eine Ziege egoistisch sein?«
    Sie lachten. Deborah ging in die kleine Küche, ließ Wasser in den elektrischen Kessel laufen und schaltete ihn ein. Sie nahm Becher, Tee, Zucker und Milch, und in einem der zwei Küchenschränke entdeckte sie sogar ein Päckchen, das dem Aufdruck zufolge etwas Essbares enthielt, was Guernsey Gache hieß. Deborah öffnete es und fand ein kastenförmiges Gebäck, das eine Kreuzung zwischen Rosinenkuchen und Früchtebrot zu sein schien. Besser als gar nichts.
    China sprach erst wieder, als Deborah alles auf den Tisch gestellt hatte. Und dann murmelte sie so leise, dass Deborah es beinahe überhört hätte: »Ich habe dich auch vermisst.«
    Deborah drückte ihr die Schulter. Sie goss den Tee ein, gab Milch und Zucker dazu. Sie wusste, dass die kleine Zeremonie nicht lange als Trost für die Freundin vorhalten würde, aber einen Becher Tee zu halten, die Hand um ihn zu schmiegen und sie von der Wärme durchdringen zu lassen - das hatte für Deborah immer etwas Magisches gehabt, als wäre die dampfende Flüssigkeit nicht aus den Blättern einer asiatischen Pflanze gebraut, sondern aus den Wassern Lethes.
    China schien Deborahs Absicht zu erraten; als sie ihren Becher hob, sagte sie: »Die Engländer und ihr Tee.«
    »Wir trinken auch Kaffee.«
    »Aber nicht in Momenten wie diesem.« China hielt den Becher so, wie Deborah es sich gewünscht hatte. Sie schaute zum Fenster hinaus, wo vor tiefgrauem Hintergrund als flimmernde gelbe Palette die Lichter der Stadt angingen, als das letzte Tageslicht der Dunkelheit wich. »Ich kann nicht fassen, wie früh es hier dunkel wird.«
    »Das liegt an der Jahreszeit.«
    »Ich bin einfach die Sonne gewöhnt.« China trank von ihrem Tee und stellte den Becher auf den Tisch. Mit einer Gabel stocherte sie in einem Stück Guernsey Gache herum, aß aber nicht. »Tja, ich werde mich wohl damit anfreunden müssen. Mit dem Mangel an Sonnenlicht. Wenn sie mich einsperren.«
    »Dazu wird's nicht kommen.«
    »Ich habe es nicht getan.« China hob den Kopf und sah Deborah direkt in die Augen. »Ich habe diesen Mann nicht getötet, Deborah.«
    In Deborah krampfte sich alles zusammen bei dem Gedanken, China könnte glauben, sie - Deborah - müsse von dieser Tatsache erst noch überzeugt werden. »Mein Gott, natürlich nicht. Ich bin nicht hergekommen, um mir ›persönlich ein Bild zu machen‹. Und Simon auch nicht.«
    »Aber sie haben Indizien gegen mich«, sagte China. »Haare von mir. Meine Schuhe. Fußabdrücke. Ich komme mir vor wie in so einem Traum, wo man zu schreien versucht und keiner einen hört, weil man gar nicht schreien kann, weil man ja in einem Traum ist. Es ist ein Teufelskreis, verstehst du?«
    »Ich wollte, ich könnte dich da rausholen.«
    »Sie waren auf seinen Kleidern«, sagte China. »Die Haare. Meine Haare. Sie waren auf seinen Kleidern, als man ihn gefunden hat. Und ich habe keine Ahnung, wie sie dahin gekommen sind. Ich habe versucht, mich zu erinnern, aber ich kann es nicht erklären.« Sie wies zu dem gelben Block. »Ich habe jeden Tag rekapituliert, so gut ich konnte. Hat er mich mal in den Arm genommen? Aber warum hätte er das tun sollen, und wenn ja, wieso erinnere ich mich nicht daran?
    Der Anwalt möchte, dass ich behaupte, zwischen uns wäre was gewesen. Kein Sex, sagt er, so weit solle ich nicht gehen. Aber Nachstellungen von seiner Seite. Die Hoffnung auf Sex. Gewisse Dinge zwischen uns, die zum Sex geführt haben könnten. Berührungen und dergleichen. Aber da war nichts, und ich kann nicht das Gegenteil behaupten. Ich meine, zu lügen würde mir nichts ausmachen. Du kannst mir glauben, ich würde lügen wie gedruckt, wenn mir das helfen könnte. Aber wer, zum Teufel, würde meine Behauptungen bestätigen? Er hat mich nie angerührt. Okay, er hat mir vielleicht mal die Hand auf den Arm gelegt oder so

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