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120, rue de la Gare

120, rue de la Gare

Titel: 120, rue de la Gare Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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zweite nicht gerissen genug, und der dritte war ein alter Trottel.
    Am späten Nachmittag endlich entdeckte ich in einem hübschen Sträßchen nahe der Rue de la Tête-d’Or the right man. Hätte gleich mit ihm beginnen sollen. Aber er stand nun mal als letzter auf meiner Liste.
    Er hieß Gérard Lafalaise, wirkte jugendlich überschwenglich und gefiel mir auf Anhieb. Das Büro, in dem er seine intelligenten Schlüsse zog, machte einen sauberen Eindruck. Die sympathische Sekretärin erinnerte mich an meine Hélène. Sie meldete mich bei ihrem Chef.
    „Mein Name ist Nestor Burma“, stellte ich mich ihm vor. „Sie haben sicher in der Zeitung gelesen, daß einer meiner Mitarbeiter, Robert Colomer, im Bahnhof von Perrache umgebracht worden ist.“
    „Aber... aber natürlich“, stammelte der Detektiv.
    Ich ließ ihm etwas Zeit, sich von seiner Überraschung zu erholen. Dann fuhr ich fort:
    „Was ich von Ihnen möchte, ist folgendes: Colomer hatte vor, eine Auskunftei in Lyon zu gründen, ähnlich wie die in Paris. Höchstwahrscheinlich hat er sich mit Angestellten hiesiger Agenturen in Verbindung gesetzt. Ich möchte, daß Sie das herausfinden. Ich nehme nicht an, daß er auch mit Ihnen oder einem Ihrer Angestellten gesprochen hat; denn Sie hätten nach seinem Tod bestimmt die Polizei davon in Kenntnis gesetzt. Aber ganz sicher hatte er mit einem Ihrer Kollegen hier in Lyon Kontakt.“
    „Ich werde mein möglichstes tun“, versicherte mir Monsieur Lafalaise. „Man hat nicht jeden Tag einen Kunden wie Dynamit-Burma.“
    „Noch was“, fuhr ich fort. „In unserem Beruf muß man ein gutes Personengedächtnis haben. Kennen Sie diese junge Frau? Sind Sie ihr schon mal begegnet? Eine bemerkenswerte Frau... „ fügte ich hinzu.
    Nachdem er das Foto betrachtet hatte, das ich ihm hinhielt, musterte er mich mißtrauisch.
    „Sehr bemerkenswert, tatsächlich“, murmelte er etwas unwillig. „Aber ich verstehe Ihren Scherz nicht. Sie zeigen mir das Foto von Michèle Hogan...“
    „Ja. Und ich suche eine Frau, die der Schauspielerin verdammt ähnlich sieht. Da ich kein Foto von der Betreffenden habe, helfe ich mir mit diesem hier. Besser als nichts, oder? Und?“
    „Nein“, antwortete er versöhnt. „Wenn ich jemals eine Frau gesehen hätte, die Michèle Hogan ähnelt, hätte ich’s nicht vergessen. Darauf können Sie sich verlassen
    „Und Ihre Sekretärin? Oder einer Ihrer Agenten?“
    „Mal sehn.“
    Er ließ die Sekretärin kommen. Ob sie jemals in der Stadt einer Frau begegnet sei, die Michèle Hogan zum Verwechseln ähnlich sehe?
    „Nein“, sagte das Mädchen nach kurzem Zögern und gab das Foto zurück. „Der Sohn der Milchhändlerin sieht aus wie Fernandel, aber...“
    „Danke“, unterbrach mein Kollege seine Sekretärin. „Wenn Paul, Victor oder Prosper vorbeikommen und ich nicht hier sein sollte, stellen Sie ihnen bitte dieselbe Frage.“
    Dann redeten wir noch übers Honorar, und ich verabschiedete mich. Mit Hereinbrechen der Dunkelheit war der Nebel wieder dichter geworden. Die Straßenbeleuchtung, die schon wegen des Zivilschutzes schwächer war, hatte keine Chance. Ich ging fröstelnd über den Pont de la Boucle. Meine Schritte hallten auf dem Eisen wider. Man konnte die Hand nicht vor Augen sehen. Wär ein Kinderspiel gewesen, jemanden in die Rhône zu schmeißen. Auf der anderen Seite stieg ich in eine Straßenbahn, die quietschend ihre mürrischen Fahrgäste durchrüttelte.
    Nach einer solchen Fahrt kam mir die gedämpfte Atmosphäre in der Bar du Passage direkt heimelig vor. Ich setzte mich neben den Ofen. Kurz darauf erschien Marc Covet.
    „Unser Literaturkritiker hat mir eiskaltes Duschen empfohlen“, sagte er.
    „Dann ist der gute Mann also zurück? Und die Bibliographie?“
    „Hier.“
    Er reichte mir ein Blatt Papier.
    „Sind das die Bücher, die er Ihnen für Colomer genannt hat?“ fragte ich.
    „Genau dieselben.“
    Ich faltete das Blatt zusammen und legte es in meine Brieftasche. Jetzt erst zog Marc seinen Mantel aus und hängte ihn an den Kleiderhaken. Dann setzte er sich zu mir an den Tisch, bestellte was zu trinken und rieb sich fröstelnd die Hände. Plötzlich schlug er sich mit der flachen Hand gegen die Stirn.
    „Hier!“ rief er. „Hab ganz vergessen, daß ich Ihr Briefkasten bin. Das ist anscheinend von Ihrem Freund, dem Flic. Ging aber schnell...“
    „Wenn man die Tricks nicht kennt, ist es ja auch zum Verzweifeln“, erwiderte ich. „Aber trotzdem, das ging

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