120, rue de la Gare
in einem Büfett, neben unzähligen Flaschen mit geruchlosem Brennstoff für Feuerzeuge, hatte er gerade ein Paar Schuhe gefunden. Und in einem der Schuhe eine Pistole.
Ich nahm die Waffe vorsichtig in die Hand. Es war ein ausländisches Fabrikat, eine Automatic Kaliber 32. Der Lauf war sehr merkwürdig geformt. Ob die Pistole vor kurzem gebraucht worden war, konnte ich nicht sagen.
Marc zeigte mir die genaue Stelle, wo er sie gefunden hatte. Es gibt bessere Verstecke!
Ich erklärte den Fund zu einem unwichtigen Detail. Marc legte das Ding wieder an seinen Platz zurück. Dann verließen wir die Wohnung.
Gérard Lafalaise brachte uns zu Covets Hotel. Bevor wir uns verabschiedeten, bleute ich ihm noch einmal die Version der Geschichte ein, die ich Kommissar Bernier vorsetzen wollte. Lafalaise mußte mir versprechen, nichts über die Vorfälle dieser Nacht auszuplaudern und auch Louise Brel zum Stillschweigen zu verpflichten. Er versprach alles und fuhr weg.
„Ein charmanter Abend“, stellte Marc fest, während er sich auszog. „Ein Überfall, bei dem ich fast der Dumme gewesen wäre; ein Mann in der Rhône; ein Verhör der dritten Stufe einer attraktiven Blondine; K. o.-Schlag, Fesselung und Knebelung eines Ihrer Kollegen; gewaltsames Betreten der Wohnung eines verstorbenen Mörders mit anschließender Durchsuchung. Mit Ihnen wird es einem nicht langweilig.“
Schweigend kaute ich auf dem Stiel meiner Pfeife. Marc setzte seinen Monolog fort:
„Um mich nützlich zu machen, finde ich in einem Schuh den Schlüssel zur Tür der Ewigkeit, vergessen von dem Mann, der seine Wohnung vor seinem Verschwinden ansonsten so gründlich aufgeräumt hatte. Das könnte doch ein Indiz sein, oder? Doch das heißt, die Rechnung ohne den berühmten Dynamit-Burma machen. ,Laß das Spielzeug da, wo es ist“, entscheidet der geniale Detektiv. ,Ein unwichtiges Detail...“„ Mein Freund summte Ich habe einen Trick, dann redete er weiter: „Ich muß an diese Louise Brel denken. Wie Sie die durchgeschüttelt haben! Sieht wirklich nicht schlecht aus, die Kleine. Sehr schöne Augen. Leider ist sie als Sekretärin in einem Detektivbüro ebensowenig geeignet wie Sie als Vorsitzender einer Gesellschaft für Enthaltsamkeit. Sie ist zu gefühlsbetont... Und sie bringt einen Sherlock Holmes zur Raserei! So würde sich Ihre Hélène Chatelain nie verhalten...
„Woher wollen Sie das wissen?“
„Ach, dann sind Sie gar nicht stumm? Und meine Worte interessieren Sie?“
„Die Sekretärinnen von Privatdetektiven sind alle gleich.“
„Oh! ... Aber... Hélène...“ Marc sah mich besorgt an. „Irgend etwas läuft nicht, hm? Sie kauen auf Ihrer Pfeife rum... Haben Sie keinen Tabak?“ Er zeigte auf seine Jacke, die über einem Stuhl hing. „Nehmen Sie eine Zigarette.“
„Nein. Ich rauche nur Pfeife.“
„Dann stopfen Sie sich doch eine Gauloise in Ihren Kocher.“
„Nein.“
„Dann... etwas Rum? Ich habe...“
„Lassen Sie mich in Ruhe und beantworten Sie Ihre eigenen Fragen gleich selbst.“
„Damit fährt man bei Ihnen auch am besten“, seufzte Marc. „Es ist fünf. Sie sollten sich schlafenlegen.“
„Nein. Wenn Sie erlauben, denke ich noch ein wenig nach. Und in einer Stunde geh ich an die frische Luft.“
„Wie Sie wollen. Aber drehen Sie sich nicht so im Kreis. Mir wird ganz schwindlig.“
10
Rue de Lyon
Bevor ich Kommissar Bernier meine Version der Ereignisse präsentierte, wollte ich mich mit Julien Montbrison unterhalten. Der Anwalt hatte seinen Ruf nicht ohne Grund erlangt. Er konnte mir in einem so haarigen Fall ein guter Ratgeber sein. Am nächsten Morgen um sieben Uhr läutete ich im Erdgeschoß der Rue Alfred-Jarry.
Der Butler sah leidender denn je aus und gebrauchte eine Menge Ausflüchte. Monsieur liege noch im Bett, es sei keine Besuchszeit usw. Schließlich erklärte er sich aber doch bereit, mich anzumelden. Kurz darauf kam er mit einer positiven Antwort zurück (Woran ich keinen Augenblick gezweifelt hatte!) und bat mich, im Büro zu warten.
Ich vertrieb mir die Zeit damit, die Dominguez-Illustrationen zu Poes Erzählungen zu betrachten. Dann spielte ich noch ein Weilchen mit dem Inhalt des Aschenbechers. Als der rundliche Advokat hereinkam, widmete ich mich gerade meinem dritten Zeitvertreib: Ich drehte Däumchen.
Monsieur Montbrison hatte sich flüchtig gekämmt und einen teuren Morgenmantel übergeworfen. Fröstelnd hatte er die Hände in den Taschen vergraben. Er sah verwirrt aus wie
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