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120, rue de la Gare

120, rue de la Gare

Titel: 120, rue de la Gare Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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wär seine Tochter. Zigeuner hätten sie am Tag nach ihrer Erstkommunion entführt.“
    „Das stimmt genausowenig“, bemerkte ich lächelnd.
    In diesem Augenblick wurden wir von einer Streife angehalten. Gérard Lafalaise zeigte seine Fahrerlaubnis vor. Offensichtlich war sie von einem hohen Tier unterschrieben, denn der Polizist fragte nicht mehr weiter nach, grüßte und ließ uns weiterfahren. Vorher machte er uns noch höflich darauf aufmerksam, daß unsere Scheinwerfer etwas zu hell seien. In dieser Zone nehme man es nicht gar zu streng mit dem Zivilschutz, aber... na ja, man solle auch nicht übertreiben. Vor allem weil eine Staffel unbekannter Nationalität das Gebiet letzte Woche überflogen habe. Lafalaise gab Gas, ohne sich um die freundliche Ermahnung zu kümmern. Ich dankte dem Zufall, der mir einen Menschen mit so langem Arm an die Hand gegeben hatte.
    Irgendwo schlug es halb vier, als wir die Wohnung des toten Möchtegern-Mörders erreichten. Sie lag in der zweiten Etage, zur Straße hin. Die Haustür stand offen (noch ein glücklicher Zufall!), und da es keine Concierge gab, konnten wir ungehindert hinaufgehen. Vor der Wohnungstür erinnerte sich Marc Covet an seine latenten Talente. Er könnte die Stahlkammer der Bank von Frankreich mit einer Haarnadel knacken.
    „Bitte nach Ihnen“, sagte er nach getaner Arbeit und trat zur Seite.
    „Affe“, knurrte ich und ging in die Wohnung.
    Wir knipsten das Licht an. Monsieur Carhaix benutzte keine Birnen von weniger als 150 Watt. Ein Mann,’ der klar sehen wollte.
    „Behalten Sie besser Ihre Handschuhe an“, riet ich den beiden. „Früher oder später werden die Flics hier auftauchen. Die müssen nicht unbedingt ein ganzes Sortiment von Fingerabdrücken finden.“
    Nach dieser Vorsichtsmaßnahme machten wir uns an eine genaue Hausdurchsuchung.
    „Was genau suchen wir eigentlich?“ erkundigte sich Lafalaise.
    „Einen Frauennamen und, wenn möglich, die Adresse der entsprechenden Dame“, gab ich Auskunft.
    Wir durchwühlten die Schubladen, die billigen Bücher in einem Regal und den Stapel Briefe, der neben einem Tintenfaß, einem Füllfederhalter und einem randvollen Aschenbecher auf einem Brett lag, das als Schreibtisch diente. Aber wir hatten keinen Erfolg. Monsieur Carhaix war ein ordnungsliebender Mensch, der nichts herumliegen ließ.
    „Man könnte schwören, daß hier vor kurzem noch Großreinemachen stattgefunden hat“, bemerkte Covet.
    „Allerdings, Marc. Offensichtlich hatte der Mann nicht die Absicht, nach seinem Mordanschlag noch mal hierher zurückzukommen. Verhält sich so ein vernünftiger Mensch?“
    „Nein, wirklich nicht. Aber kriminell und verrückt, das liegt ganz dicht beieinander.“
    Ich öffnete den Kleiderschrank. Zwei Hüte, drei Hosen, eine Jacke, zwei Mäntel, ein Gabardinemantel.
    „Wie viele Mäntel besaß Ihr Angestellter, Monsieur Lafalaise?“ fragte ich.
    „Ich kannte nur zwei. Einen dunkelgrauen und... tja, die beiden da.“
    „Auf der Brücke trug er nur einen Anzug. Wahrscheinlich um mehr Bewegungsfreiheit zu haben. Ich nehme mal an, daß er zumindest einen Mantel mitgenommen und irgendwo versteckt hätte, bevor er abgehaun wär. Aber es sieht nicht danach aus. Nun kann man in dieser Jahreszeit schlecht auf so was verzichten. Andererseits scheint es sehr schwierig, einen neuen Mantel kaufen zu wollen. Hab was von Bezugsscheinen gehört...“
    „Der geniale Burma tappt gerade im dunkeln“, amüsierte sich Marc Covet. „Ob er mir wohl erlaubt, ihm mit meinem schwachen Licht zu leuchten? Also, unser Feind hat hier alles aufgeräumt und kompromittierende Dokumente verschwinden lassen — falls es welche gab. Dann hat er Ihnen — uns, aber das wußte er noch nicht — aufgelauert, um nach gelungener Tat das Weite zu suchen. Aber was hätte ihn daran gehindert, vorher noch mal hier vorbeizukommen, einen unauffälligen Mantel überzuziehen und sich mit gepacktem Koffer aus dem Staub zu machen?“
    „Stimmt“, murmelte Lafalaise.
    „Möglich“, urteilte ich.
    Nur daß in dem Schrank ein Koffer lag, der ganz und gar nicht fix und fertig gepackt war. Ich verkniff mir aber jede Bemerkung.
    Wir durchsuchten die Taschen aller Kleidungsstücke und auch den Koffer, fanden aber nicht mal ‘ne alte Straßenbahnfahrkarte.
    „So, das wär’s“, sagte ich. „Mehr ist nicht zu holen.“
    Ich war weder zufrieden noch enttäuscht. Plötzlich stieß Marc einen Triumphschrei aus. In der Küche, unter alten Zeitungen

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