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120, rue de la Gare

120, rue de la Gare

Titel: 120, rue de la Gare Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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festgetreten.“
    „Monsieur!“ rief der Fahrer. „Da oben ist Licht, in der ersten...“
    Ich sah hoch und fluchte:
    „Scheiße! Das nennen Sie Licht! Los, Faroux, da oben brennt’s!“
    Wir warfen uns gegen das Tor. Zu Faroux’ Überraschung gab es ohne weiteres nach. Auch die Haustür machte uns keine Schwierigkeiten. Sie war aufgebrochen worden. Das Schloß wurde nur noch von einer einzigen Schraube gehalten. Wir stürmten die Treppe hinauf, hinein in ein großes Zimmer. Ein Vorhang hatte Feuer gefangen und tauchte alles in ein rotes Licht. Über Stock und Stein — mehrere Gegenstände lagen auf dem Boden — stürzte ich zum Brandherd und konnte ohne große Mühe den Schaden begrenzen. Wir waren gerade noch rechtzeitig gekommen.
    Ich hörte, wie der Lichtschalter betätigt wurde.
    „Kein Strom, Monsieur“, stellte der Fahrer fest. „Es sei denn, es hängt keine Lampe an der Decke.“
    Der Schein meiner Taschenlampe überzeugte uns vom Gegenteil. Die Ströme flössen nicht.
    „Suchen sie den Hauptschalter, Antoine“, befahl der Inspektor.
    „Und vergessen Sie Ihren Revolver nicht!’ ergänzte ich. „Eventuell ist der gefährliche Vogel noch hier im Haus. Ich meine den, der alles auf den Boden geschmissen hat.“
    „Meinen Revolver hab ich“, sagte der Fahrer, „aber die Lampe liegt im Wagen. Können sie mir Ihre geben, Inspektor?“
    Er ging auf Faroux zu.
    „Was war das?“ fragte ich. „Das Geräusch...“
    „Das war ich, Monsieur“, antwortete Antoine. „Ich bin auf was Rundes getreten und hab’s weggeschossen.“
    „Was Rundes?“
    Ich ließ den Schein meiner Lampe über den Boden gleiten, sah aber nur heilloses Durcheinander.
    „Wir müssen uns was überlegen, damit wir mehr sehen“, knurrte ich. „‘ne Taschenlampe reicht nicht.“
    „Suchen Sie jetzt den Hauptschalter“, wiederholte Faroux seine Anweisung.
    Der Untergebene ging hinaus. Wir warteten mit gespitzten Ohren. Außer seinen Schritten auf dem abgetretenen Teppich der Treppe war nichts zu hören. In der Ferne donnerte das Flak-Geschütz. Ab und zu pfiff eine Lokomotive. Antoine kam zurück, in der Hand eine Warnlampe aus dem Wagen. Den Hauptschalter hatte er nicht finden können. In dem hellen Schein der Warnlampe konnten wir uns die Örtlichkeiten in aller Ruhe ansehen.
    Eine Kommode verlor den Inhalt ihrer Schubladen. Die marmorne Aufsetzplatte war abgenommen und zur Seite gestellt worden. Das Möbelstück selbst hatte man von seinem Platz gerückt. Von den Bildern an der Wand waren nur noch die Nägel übriggeblieben. Die Bilder lagen in einer Ecke, die Rahmen zerbrochen, das Glas zersplittert. Auch ein paar Bücher lagen auf dem Boden.
    „Leck mich am Arsch!“ faßte der Inspektor die allgemeine Meinung zusammen. „Hier ist ein Orkan durchgefegt.“
    „Na ja, sieht es nach Ihren Hausdurchsuchungen nicht ganz ähnlich aus?“ gab ich zurück. „Aber um bei dem Orkan zu bleiben: dieser hier fällt unter die Gattung ,Raucher’. Eine Kippe hat nämlich zuerst ein Blatt Papier in Brand gesetzt, von dem der Funke auf den Vorhang übergesprungen ist. Das braucht eine gewisse Zeit. Wir können davon ausgehen, daß der rauchende Orkan kurz vor unserer Ankunft geflüchtet ist. Also können wir unsere Kanonen wieder wegstecken.“
    „Ich hab die Zimmer unten gesehen“, sagte Antoine. „Die sind genauso durcheinander.“
    „Das wundert mich nicht. Hier ist eine regelrechte Hausdurchsuchung vorgenommen worden.“
    Wir stöberten in den Gegenständen herum, die auf dem Boden verstreut waren. Ich fand einen Hammer, dessen flache Seite Spuren von Staub aufwiesen. Als wir uns später die Wände ansahen, bemerkten wir, daß sie abgeklopft worden waren. Der Staub an dem Hammer stammte aus einem Riß in der Tapete. Die Klopferei hatte offensichtlich dazu gedient, einen Hohlraum aufzuspüren. Wir bemühten uns, etwaige Fingerabdrücke auf dem Hammerstiel nicht zu verwischen.
    Schließlich fanden wir auch den runden Gegenstand, den der Fahrer weggetreten hatte. Es war eine Patronenhülse, die aus einer Browning stammte. Kurz darauf fanden wir noch zwei weitere, allerdings eines anderen Kalibers. Faroux steckte sie ein.
    Ich ging zu einem schweren, granatroten Samtvorhang, der die Öffnung zu einem kleinen Nebenzimmer zu verdecken schien. Als ich näherkam, sah ich die Spitze eines Frauenschuhs unter den Falten des Vorhangs hervorlugen. Ich riß den Stoff zur Seite. In der schmalen Türöffnung, eine blutverschmierte Hand auf

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