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120 - Sterben in Berlin

120 - Sterben in Berlin

Titel: 120 - Sterben in Berlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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unser.«
    »Das Reich ist unser«, bestätigte Rudgaar den Befehl. Den Ledersack, auf dem er die ganze Zeit gesessen hatte, band er einem der Hunde auf den Rücken. Danach schlang er sich die Führungsriemen der vier Todeskandidaten um seine Handgelenke; zwei um das rechte und zwei um das linke.
    Der Hundemeister hatte persönlich nichts gegen den Fürsten. Er fand ihn nicht einmal direkt unsympathisch.
    Allerdings hielt er ihn für relativ dumm und vor allem für größenwahnsinnig; aber vielleicht bedingte ja Ersteres das Letztere. Rudgaars Familie gehörte zu den ältesten und angesehensten Kaufmannsgeschlechtern Pottsdams. Ein geistig beschränkter und größenwahnsinniger Fürst hatte nichts als Eroberung und Krieg im Sinn, Kaufleute aber hatten die Ausweitung ihrer Handelsbeziehungen und gute Geschäfte im Sinn.
    Beides vertrug sich Rudgaars Überzeugung nach nicht miteinander. Davon abgesehen verehrte der Hundemeister die Königin von Beelinn. Nach der Geburt ihrer Tochter war er vor drei Jahren persönlich nach Beelinn gereist, um ihr den prächtigsten Rüden eines neuen Zuchtwurfes zu schenken. Es hatte Meister Johaan damals nicht viel Überredungskunst abverlangt, um Rudgaar für die königlichen Dienste anzuwerben.
    Am Waldrand entlang schlich Rudgaar zum Maiisfeld. Die vier Doyzdogger zog er hinter sich her. Im letzten Licht des Mondes sah er die schon schulterhohen Halme im sanften Wind hin und her schaukeln. Aus dem Wald streifte kurz der Geruch nach Feuer und Öl seine Nase. Irgendwo in der Deckung einer Wurzelgrube hatten zwei Krieger Stöcke gedreht, bis Flammen züngelten. Damit hatten sie die Öllampe entzündet.
    Die Hunde hatten die Witterung längst aufgenommen. Sie hoben ihre zugebundenen Schnauzen und winselten leise. Rudgaar raunte ihnen beruhigende Worte zu.
    Fast zwanzig Krieger schlichen aus dem Wald zu ihm ans Maiisfeld. Einer, ein Hundsknecht, trug die mit Teer gestrichene Öllampe. Die anderen trugen zusammengeschnürte Reisigbündel auf den Rücken. Fast die Hälfte von Bolle Karajans Streitmacht pirschte sich wenige Atemzüge später durch das Maiisfeld. Etwa einen halben Speerwurf vor dessen Rand gab Rudgaar das Zeichen zum Anhalten.
    Während die Krieger die Reisigbündel zu vier Haufen schichteten und zusammenbanden, öffnete Rudgaar seinen Ledersack. Er holte die Dinge heraus, die Siimns Spione im Laufe der letzten Wochen aus Braandburg geschmuggelt hatten: Fußlumpen der Braandburger Stallmeister, Sattelriemen und getrocknete Kotbrocken der Braandburger Frekkeuscher und Andronen. Während der Hundeknecht die Reisighaufen durch doppelt geflochtene Hanfseile an ihrem Geschirr befestigte, hielt Rudgaar den vier Todeskandidaten Kot, Leder und Stoff vor die zugebundenen Schnauzen. Die Doyzdogger schnupperten daran und nahmen Witterung auf.
    »Da…«, zischte plötzlich der Hundsknecht. Alle lauschten sie – tatsächlich, von Sonnenaufgang her näherte sich das Schwirren von Frekkeuscherflügeln…
    ***
    Über den Wipfeln ahnten die Wachen auf den Wehrtürmen bereits das erste Morgengrauen, als ein Späher aus dem Wald brach und im Laufschritt über den Fahrweg auf das Westtor zulief. Die Wachen ließen ihn in die noch schlafende Stadt herein. Der Späher berichtete, was er zu berichten hatte, und die Wachen hielten seine Nachrichten für wichtig genug, um den Serganten Deenis zu wecken.
    Sergant Deenis hörte sich den Bericht des Spähers an und entschied, die Nachrichten noch vor Sonnenaufgang dem Ersten Königlichen Berater zu überbringen. Er wies die Wachen an, dem Späher eine Mahlzeit und einen Schlafplatz zu verschaffen. Er selbst machte sich auf den Weg zu Johaans Haus.
    Sicher hätte der Sergant die Nachricht genauso gut zuerst der Zweiten Königlichen Beraterin überbringen können, aber der Erste Königliche Berater ließ ihm Woche für Woche ein Geschenk oder eine Münze zukommen, damit alle an den Toren eingehenden Nachrichten von Kundschaftern auf schnellstem Wege und zuerst sein Haus und seine Ohren erreichten.
    Das großzügige Anwesen Meister Johaans lag in der Nachbarschaft des Königspalastes, einer erst zur Hälfte wieder in Stand gesetzten Ruine. Wächter standen vor dem erleuchteten Eingangsportal; auch zwischen den Säulen auf dem Balkon im Obergeschoss entdeckte Sergant Deenis zwei Bewaffnete.
    Das Gartentor zum Grundstück des Ersten Königlichen Beraters war weder beleuchtet noch bewacht. Nur hinter einem Fenster des ersten Stockwerks brannte Licht. Der

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