120 - Sterben in Berlin
beißen. Der Fürst wollte unbedingt vermeiden, aus der Luft attackiert zu werden.
Bald verbreitete sich der Geruch nach Rauch und Feuer in den Gassen und über den Häusern. Die Stallungen brannten lichterloh, und der Brand griff rasch auf die Wohnhäuser über.
Gefesselte Menschen wankten aus dem Stadttor und sanken erschöpft in den Tofanenacker.
Als eine Stunde später die Sonne aufging, beschien sie ein Flammenmeer, etwa zweihundert tote und hundertzwanzig gefangene Braandburger.
Und einen stolzen Fürsten von Pottsdam, der seinen Kriegern im Maiisfeld vor der zerstörten Stadt für ihre Tapferkeit dankte und ihnen die Vision eines Reiches zwischen Ostmeer und Eisgebirge und zwischen dem Großen Fluss und der Oda in schillerndsten Farben ausmalte.
Und einen müden und angewiderten Hundemeister, um den sich seine acht überlebenden Doyzdogger drängten, unter ihnen sein ältester Zuchtrüde Greif. Irgendwie hatte das erfahrene Tier es geschafft, sich in den Frekkeuscher-Stallungen von der brennenden Last zu befreien und den Flammen zu entkommen.
***
Beelinn, Anfang Juli 2520
Canadas Augen sind braun und feucht. Anniemouse muss ihn lieb haben, wenn sie ihn anschaut, und sie spürt, dass Canada sie lieb hat, wenn er sie anschaut. »Auf die Augen achten, hat Tilmo gesagt. Hörst du, dicker schwarzer Canada?«
Canada leckt Ann mit seiner breiten nassen Zunge über das Gesicht.
»Komm jetzt«, sagt Jennymom, hebt Anniemouse hoch und setzt sie in den Hundesattel. Auf geht’s zum Südtor. Fremde Männer sind angekommen. Jennymom läuft zwischen Miouu und Bulldogg, Ann reitet auf dem schwarzen Canada. Es ist nicht weit.
Immer ist Miouu in der Nähe, und auch Bullo ist sehr oft in der Nähe. Beide tragen Schwerter, Miouu sogar ein paar Messer. Jennymom sagt, sie müssten Schwerter und Messer bei sich tragen, weil sie ein gefährliches Leben führten. Warum Miouu immer und Bullo so oft in der Nähe sind, fragt Ann manchmal.
»Weil sie auf Anniemouse und ihre Mom aufpassen müssen«, sagte Jennymom dann immer.
Ann fragt sich, ob sie und ihre Mom dann auch ein gefährliches Leben führen. Wahrscheinlich, oder? Und wahrscheinlich müssen Miouu und Bullo auf sie beide aufpassen, weil der Commander Dad nicht da ist. Sonst würde er das tun, aufpassen auf Jennymom und ihre Anniemouse, da ist sich Ann ganz sicher.
»Miouu hat auch liebe Augen«, sagt Ann zu Canada.
Jennymom dreht sich um und lächelt. Ann betrachtet Miouus Rücken, ihre schönen nackten Beine und ihr kurzes schwarzes Haar. Anniemouse hat langes blondes Haar. Miouu hat glattes Haar, das von Ann ist lockig.
Und plötzlich bekommt sie Angst, denn Miouu lebt ja gefährlich. Anniemouse hat Angst, denn es wird Miouu etwas zustoßen! O Wudan, es wird ihr etwas zustoßen! Auf einmal weiß sie es ganz genau! Sie neigt sich auf Canadas Hals, bohrt ihre Stirn in sein fettiges dichtes Fell. »Ich hab Angst«, flüstert sie. Canada winselt, macht Wuff! und biegt seinen pelzigen Nacken durch, bis sein Kopf Anns Kopf berührt.
Canada bleibt stehen. Jennymom beugt sich über sie. »Was ist mit dir, Kleines?«
»Wer passt auf Miouu auf?«, schluchzt Anniemouse.
Erst runzelt Jennymom die Stirn, dann macht sie ein ungläubiges Gesicht, und dann lächelt sie. »Miouu kann gut auf sich selbst aufpassen, Kleines. Sie ist stark, sehr stark.«
Das beruhigt Anniemouse ein wenig. Als Miouu selbst sich umdreht und ihr zulächelt, merkt Ann, dass ihre Augen nicht nur lieb sind – etwas brennt in ihnen, gelb und grün, wie Feuer im Ofen des Glasbläsers.
Weiter geht es, zum Südtor. Die Leute in den Gassen bleiben stehen und verneigen sich. Die Leute in den Fenstern winken und rufen: »Glück und Segen für Königin Jenny! Sie möge leben!«, und noch viele andere Dinge, die Anniemouse nicht versteht, rufen sie auch. Sie versteht aber, dass Jennymom eine wichtige Frau ist. Das gefällt ihr.
Das Südtor steht offen. Viele Männer stehen dort. Und drei Frauen: Gertruud und die junge Frau mit dem dicken roten Zopf, die sie seit einiger Zeit begleitet. Ihre Sekretärin, sagt Jennymom. Und Johaan hat seine schöne neue Frau dabei. Sie trägt ihren schönen Stirnreif mit dem schönen Edelstein.
Johaan und Gertruud streiten. Aber das macht nichts, das müssen sie tun. Jedenfalls hat Jennymom das mal gesagt. Unter dem Tor verneigt sich einer der Männer vor Jennymom. Er hat langes blondes Haar, er sieht schmutzig und ziemlich hungrig aus, und seine Kleider sind zerrissen.
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