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120 - Sterben in Berlin

120 - Sterben in Berlin

Titel: 120 - Sterben in Berlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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Sergant lief zu dem kleinen Prachthaus. Unter seinen Stiefelsohlen knirschten die Kieselsteine. Deenis hielt es für eine Schande, dass Johaan das schönste Haus der Stadt bewohnte, während die Königin sich mit einer halben Baustelle begnügen musste.
    Einige Leute in Beelinn sahen das ähnlich, auch wenn der Königspalast zehnmal so groß war wie Johaans Haus.
    Als Deenis die Vortreppe erreichte, hörte er Stimmen. Er blieb stehen und lauschte. Die Stimmen kamen aus dem halb geöffneten und mäßig erleuchteten Fenster. Er sah hinauf. Die dunkle Stimme einer Frau redete lockend und schmeichelnd auf einen Mann ein, und der Mann wimmerte, seufzte und stöhnte. Sergant Deenis begriff, was er da hörte, und feixte.
    Aber nur kurz – sofort nahm er Haltung an, straffte seinen Waffenrock, rückte seinen Lederhelm zurecht und eilte die drei Stufen zur Haustür hinauf.
    An ihr hing in Hüfthöhe ein schwerer Eisenring mit dem Mähnenkopf eines Tieres, das es nur in Legenden gab, Deenis aber ein wenig an einen Sebezaan erinnerte. Dreimal ließ er den Fabeltierkopf gegen die Tür fallen. Schon beim ersten Mal verstummten die Stimmen über ihm.
    Kurz darauf knarrte irgendwo ihm Haus eine Tür. Leise, rasche Schritte näherten sich; laute, schleppende folgten. Die Tür wurde aufgeschlossen, dann aufgezogen. Ein stechender Blick traf Deenis. Unwillkürlich wich er zurück. Johaans Mätresse stand im Türrahmen.
    »Was gibt es?«, herrschte sie ihn an.
    »Ich… könnte ich…«
    Sie war barfuß, ein dunkelblaues Tuch verhüllte ihren Körper notdürftig, ihre nackte rechte Schulter und der Ansatz ihrer Brüste verwirrten Sergant Deenis erheblich. »Ich habe… ich komme mit einer Nachricht für den Ersten Königlichen Berater«, stammelte er. Obwohl sie einen Schritt entfernt von ihm stand, glaubte er die Hitze spüren zu können, die ihr Körper ausstrahlte.
    »Eine Nachricht?«, kam es gedämpft von der Treppe. Dort stieg Johaan die Stufen herunter. Langsam kam er näher. »Für mich?« Er trug Stiefel und eine weite Hose. Fahrig versuchten seine Finger die letzten Knöpfe seines Umhangs zu schließen.
    »Teile uns die Nachricht mit«, verlangte die Mätresse.
    Sergant Deenis blickte verwirrt zwischen ihr und dem königlichen Berater hin und her. Das für eine Mätresse ungewöhnlich forsche Auftreten der Frau hatte sich schon herum gesprochen, doch ihren Befehlston mit eigenen Ohren zu hören verstörte ihn doch. Johaan blieb neben ihr stehen und sah ihn aus müden Augen an. Er wirkte blass und unausgeschlafen, sagte kein weiteres Wort. »Na, was ist?«, blaffte die Frau.
    »Ein Mann… ein Krieger der Späherkette aus dem Westen ist zurückgekehrt…«, begann Sergant Deenis zögernd. »Bolle Karajan hat einen Scheinangriff auf die Fischteiche Braandburgs durchgeführt. Der König von Braandburg hat die Pottsdamer mit sechzig Kriegern unter Osgaard verfolgen lassen…«
    »Dieser Hohlkopf, dieser verkalkte.« Johaan kraulte sich nachdenklich den Kinnbart. Sergant Deenis merkte plötzlich, dass die Frau ihn noch immer fixierte, und als er sie ansah, lächelte sie. Das ging ihm mächtig unter die Haut.
    »Weiter, Sergant«, bat Johaan.
    »Osgaard verfolgte die Pottsdamer bis tief in den Elbwald. Dort geriet er mit seinen Leuten in den Hinterhalt einer großen Räuberhorde. Der Späher sagt, die Wilden seien von Bolle Karajan bezahlt worden…«
    »Was denn sonst.«
    »… wie es heißt, konnten nur Osgaard und drei oder vier Getreue entkommen. Die Pottsdamer hätten sich geteilt: Fünfzehn verfolgen Osgaard und fünfzehn ziehen nach Osten, um die Kundschafter abzufangen, die der Braandburger König Bolle Karajan hinterher geschickt hat.«
    »Und aus Braandburg selbst noch keine Nachrichten?«
    »Angeblich will Bolle Karajan noch vor Sonnenaufgang angreifen. Nicht viel mehr als zwanzig Krieger verteidigen die Palisade der Stadt. Wie es heißt, seien einige Verräter unter ihnen.«
    Mit gesenktem Haupt stand der Erste Königliche Berater da, schabte sich den Bart und blickte nachdenklich auf die Türschwelle. Er wirkte unschlüssig.
    »Geh nur, Johaan«, sagte seine Mätresse. »Geh und bring die neuen Nachrichten der Königin. Ich werde dem Serganten seinen Botenlohn geben.«
    »Ja… ich muss zur Königin. Ja, du hast Recht, Naura.«
    Johaan schritt an Deenis vorbei, schleppte sich die Treppe hinunter und verschwand in der Dunkelheit des Gartens. Der Sergant hörte die Kieselsteine knirschen, dann knallte das Gartentor ins

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