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120 - Sterben in Berlin

120 - Sterben in Berlin

Titel: 120 - Sterben in Berlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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Kopf.
    Falten türmten sich auf Nauras hoher Stirn. Sie las ein zweites Mal und jetzt sorgfältig:
    Verehrter Meister Johaan! Euer Leben ist in höchster Gefahr! Hütet euch vor Siimns Mätresse, sie soll euch töten!
    Und hütet euch vor Gertruud! Bolle Karajan bezahlt sie aus seiner Schatulle. In Siimns Auftrag hat sie längst eure Nachfolgerin bei Hofe eingeführt: Olafs Tochter Lucida. Auch sie ist eine Spionin. Ihr werdet Wege finden, Euch von diesen Nattern zu befreien, ohne dass mein Name fällt. R.
    »So ist das also…« Naura rollte das Papier zusammen. »Wer ist dieser ›R‹?«
    »Rudgaar, der Hundemeister.«
    »Er spioniert für dich in Pottsdam?« Sie nahm den Zylinder von einer der Öllampen neben dem Spiegel und hielt das Papier an die Flamme.
    »Ja«, sagte Johaan. »Und Tilmo läuft als Bote zwischen uns hin und her.«
    Naura hielt das brennende Papier über die halbvolle Schüssel auf dem Waschtisch. »Das hast du mir nie gesagt.«
    Kurz bevor die Flamme ihre Finger erreichte, ließ sie los: Der verkohlte Brief schwebte ins Wasser, die Flamme erlosch zischend.
    »Du hast nicht danach gefragt.«
    »Gertruud kann mir nicht mehr gefährlich werden, sie ist seit einem halben Mond – verschwunden.« Naura wandte sich um. Draußen war es endgültig dunkel geworden. Sie nahm die Scheide mit dem langen Dolch und befestigte sie an ihrem Hüftgurt. »Aber ein Spion Beelinns in Pottsdam? Das gefällt mir nicht. Dieser Rudgaar muss weg, und sein Laufbursche auch.«
    Johaan schwieg.
    »Aber eines nach dem anderen.« Naura legte beide Hände auf Johaans Schultern und sah ihm in die Augen.
    »Du bist auf meiner Seite?«
    Er nickte, ohne ihrem Blick auszuweichen.
    »Du hast alles vorbereitet?«
    Wieder nickte er.
    »Und du liebst mich?«
    Und noch einmal nickte Meister Johaan.
    »Dann sag es mir.«
    »Ich bin auf deiner Seite, und ich liebe dich«, sagte Johann.
    Seine Stimme klang hohl, auch zitterte sie ein wenig.
    »Gut, mein Meisterchen, sehr gut.« Sie zog ihn an sich und hielt ihn fest. »Dann gehe ich jetzt und tue, was zu tun ist…«
    ***
    Es ist schon dunkel. Männer mit Fackeln gehen voran, Männer mit Fackeln folgen. Es sind Männer in Stiefeln und Lederharnischen, mit Schwertern und Helmen; Männer, die Bullo gehorchen. »Palastwache« nennt Miouu sie. Ein schönes Wort, findet Anniemouse. Bullo selbst ist schon nach Hause gegangen, zu seiner Frau und seinen Kindern.
    Der Gang ist lang, der nächste noch länger, und Anniemouse quengelt, bis Jennymom sie auf den Arm nimmt.
    Sie quengelt trotzdem weiter: »Bin müde, will nicht baden.«
    Miouu geht neben Jennymom. Bei jedem Schritt scheuert das große Schwert auf ihrem Rücken gegen ihren Lederharnisch. Das steife Leder ihrer Stiefel knarrt.
    Anniemouse streckt der schönen Miouu ihre von Blaubeersaft verschmierten Hände vors Gesicht. »Sauber. Hände sauber, Gesicht sauber. Will nicht baden!«
    Miouu grinst. Anniemouse quengelt und heult und strampelt in Jennymoms Armen. Schließlich schreit sie. Canada blickt zu ihr hinauf und macht Wuff!
    »Schluss jetzt, du kleine Zicke!« Jennymom wird böse. »Du warst den ganzen Tag im Wald! Du stehst vor Dreck! Wir baden, und danach geht’s ins Bett!«
    Anniemouse runzelt die Stirn und legt eine Quengelpause ein. »Wollte Getruud auch nicht baden?«
    Die Männer mit den Fackeln lachen, Miouu grinst, Canada macht Wuff! Jennymoms Gesicht aber bleibt ernst. Sie macht sich Sorgen um Getruud, denn die ist seit vielen Tagen weg, einfach verschwunden. Anniemouse macht sich keine Sorgen um Getruud. Weil sie ein Zicke ist, und weil sie ja gewusst hat, dass Gertruud verschwinden wird.
    Die Männer mit den Fackeln biegen um die Ecke. Der Fackelschein erleuchtet einen neuen, breiteren Gang. An seinem Ende liegt die Tür in die Baderäume. Anniemouse sieht sie noch nicht, ahnt sie aber bereits. Und beginnt wieder zu schreien, zu heulen und zu strampeln. »Will nicht baden! Will nicht!«
    Sie ist wütend auf Jennymom, die sie zu Dingen zwingt, die sie nicht will, und sie ist wütend auf Meister Johaan, weil der unbedingt zur Blaubeerernte in den Wald wollte. Und noch viel mehr ist sie wütend auf Meister Johaan, weil der sie versehentlich angestoßen hat, sodass sie in den Schlammtümpel gestürzt ist. Und deswegen muss sie jetzt baden.
    »Dummer Meister Johaan!«, schreit sie. »Dumme Jennymom!«, und sie beginnt wieder zu strampeln.
    »Ich kann nicht mehr.« Jennymom reicht Anniemouse an Miouu weiter. »Trag du sie

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