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120 - Sterben in Berlin

120 - Sterben in Berlin

Titel: 120 - Sterben in Berlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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die Klinge nicht im Wasser aufschlagen, hörte sie nicht gegen den Grund des Beckens stoßen, und auf einmal hielt etwas sie am Knöchel fest. Sie stolperte, weil sie im Begriff gewesen war, sich auf den gefallenen Gegner zu stürzen.
    Sie warf sich auf den Rücken, sah einen Arm am Beckenrand, sah eine Hand ihren Knöchel festhalten, sah eine zweite Hand aus dem Wasser ragen und das blutige Schwert halten. Das Entsetzen fuhr ihr wie ein Eissturm durch Glieder und Brust, jagte ihr jeden klaren Gedanken aus dem Hirn.
    Die Hand an ihrem Knöchel riss sie mit ungeheurer Kraft an den Beckenrand. Ein Kopf tauchte aus dem trüben Wasser auf, das Gesicht einer Frau. Nauras Gesicht.
    »Mordschlampe!«, brüllte Miouu. Die Haut ihrer nackten Schenkel scheuerte über den Beckenrand, Nauras Klinge traf sie erst an der Hüfte, bohrte sich dann in ihren Leib. Das Wasser erstickte ihren Schmerzensschrei, nur ein Gurgeln und Blubbern hörte der Gardist, als er sich aufrichtete. Er trat an den Beckenrand, zitterte am ganzen Körper, während er ins aufgewühlte Wasser starrte. Es verfärbte sich, wurde dunkler, wurde rot.
    Der Hund nebenan bellte wütend. Ein Kind schrie. Die Königin rief nach Miouu, die Gardisten traten gegen die Außentür. Rotaa wartete nicht, bis der Wasserspiegel sank. Er rannte zum Fenster und riss es auf…
    ***
    In Decken gehüllt, stand Jenny am Beckenrand. Angehörige der Palastwache kletterten aus dem Fenster, bestätigten Bulldoggs Befehle, knieten mit blank gezogenen Klingen an allen vier Seiten des Beckens. Sie hatten die Tür aufgebrochen und nach Bulldogg geschickt.
    Von fern hörte Jenny die Kleine schreien. Sie hatte ihre Tochter einfach auf den Hund gesetzt und mit zwei Palastgardisten in ihre gemeinsamen Schlafräume geschickt.
    Gurgelnd floss das Wasser ab. Nur eine rötliche Pfütze blieb übrig. In ihr lagen zwei Klingen: Miouus Langschwert und ein Kurzschwert von der Sorte, wie die Palastwache sie benutzte.
    »Sie ist durch den Abfluss gespült worden«, sagte Bulldogg mit tränenerstickter Stimme.
    »Und ihr Mörder ist durch den Abfluss geflohen«, sagte der Hauptwebel Bodoo.
    Jenny sagte nichts. Sie konnte nichts sagen – ihre Brust war mit Blei gefüllt, ihre Kehle auch.
    »Sucht den Abflusskanal ab.« Bulldogg gab sich größte Mühe, Schmerz und Tränen zu unterdrücken. »Schickt Einheiten mit Fackeln los. Sie sollen beide Ufer der Spree absuchen.«
    »Sinnlos, Oberst Bulldogg«, sagte der Hauptwebel. »Es ist dunkel, sie werden nichts finden.«
    »Tut, was ich sage!«
    Hauptwebel Bodoo stellte die Suchmannschaften zusammen. Er selbst führte die an, die das linke Spreeufer abschritt. Sie fanden keine Leiche, auch keine verletzte Miouu.
    Weder am Abflusskanal zwischen Palast und Spree, noch an den Flussufern.
    ***
    »Sie ist tot.« Naura saß in der Küche im Waschzuber. Das Wasser dampfte, so heiß war es. Johaan musste ständig den Topf vom Herd holen und nachgießen. Der Schaum bedeckte ihre Schultern, sogar ihren Hals. »Ich habe die Fische und die Kröten mit ihrem Fleisch gefüttert. Sie ist tot.«
    Meister Johaan antwortete nicht. Den leeren Wassertopf in der Rechten, stand er vor dem dampfenden Zuber und stierte seine Geliebte an. Die lächelte ihm zu. »Mach kein so trübsinniges Gesicht, Meisterchen. Alles ist gut! Gertruud tot, Miouu tot – alles ist bestens! Die Königin ist jetzt noch mehr auf dich angewiesen. Und bald auch auf mich.« Sie tauchte unter und wieder auf und spülte sich die Seife aus dem Haar.
    »Was meinst du, Meisterchen«, sagte sie. »Werde ich dich als Ersten Königlichen Berater ablösen?«
    »Ich glaube schon.«
    »Dann nimm es mir nicht übel, ja?«, lächelte sie. »Und jetzt reiche mir das Handtuch.«
    Meister Johaan schlurfte zum Herd, stellte den Topf ab, zog das Handtuch von der Leine und kehrte damit zum Waschzuberzurück. Naura war schon aufgestanden, in ihrer ganzen Schönheit ragte sie aus dem Schaum. »Gefalle ich dir?«
    »O ja.« Er breitete das Handtuch vor ihr aus.
    Sie stieg aus dem Zuber, wickelte sich darin ein und schmiegte sich an Meister Johaan. »Du hast alles sehr gut vorbereitet, mein kluges Meisterchen«, raunte sie. »Der Mann, den du ausgesucht hast, hat seine Sache fehlerlos gemacht. Jetzt weiß ich sicher, dass du auf meiner Seite stehst. Jetzt weiß ich ganz sicher, dass du treu bist. Und jetzt bist du auch reif für dein Meisterstück.«
    »Meisterstück?« Johaan streichelte ihren Rücken. Er verstand nicht, wovon

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