1204 - Der Häuter
zusätzlich angebotenen Whisky verzichteten wir.
Eigentlich hätte ich jetzt gern erfahren, was sich so alles hier ereignet hatte, ein wenig Dorfklatsch, aber wir kamen sofort zum Thema.
Bull fragte, während er über sein graues Haar strich, das noch immer einen Kontrast zu seiner rötlichen Gesichtshaut bildete:
»Ihr habt bestimmt der Psychiatrie einen Besuch abgestattet, kann ich mir vorstellen.«
Ich nickte ihm zu. »Ja, wir waren in Glasgow.«
»Und?«
»Er sitzt noch.«
Bull wusste nicht, wie ernst ich die Antwort gemeint hatte.
Aber er ahnte, dass noch etwas nachkam. Auf seiner Stirn erschienen Falten. Er ließ auch die schon angehobene Tasse sinken und sagte mit leiser Stimme: »Du hast das so komisch gesagt, John.«
»Es ist der falsche Mann.«
»Nein!«
Bull schrie selten, diesmal tat er es. Er wäre beinahe von seinem Stuhl in die Höhe geschossen, aber er blieb sitzen, schüttelte den Kopf und starrte uns an.
Suko und ich gaben ihm gemeinsam den Bericht. Fast jeden Satz quittierte der Konstabler mit einem Stöhnen, und er wischte auch einige Male den feuchten Film von seiner Stirn.
»Das kann doch nicht wahr sein, John!«
»Leider ist es wahr, Terrence. Damit müssen wir leben.«
»Ja«, murmelte er, »ja. Und wie konnte das passieren? Habt ihr da eine Erklärung gefunden?«
»Wir nehmen etwas an«, sagte Suko. »Man muss den Mann mit einer Person vertauscht haben, die ihm verdammt ähnlich sieht. Anders kann ich es mir nicht vorstellen. Es ist nach der Verurteilung passiert. Auf dem Weg zur Psychiatrie, wie auch immer. Und da muss auch jemand mitgemacht haben.«
»Das denke ich auch.« Er wollte seinen Kopf senken, doch sehr rasch schnellte er wieder in die Höhe. »Moment, der neue Tote.«
»Was ist mit ihm?«
»Er war einer der Bewacher.«
»Von Navis auf der Fahrt?«, fragte ich.
»Ja.«
Suko und ich schauten uns an. »Wie viele Bewacher hat es denn gegeben?«, fragte ich.
»Zwei, glaube ich.«
»Kennst du die Namen?«
»Der Tote heißt Walcott.«
»Und der andere?«
»Da musste ich mich erkundigen.«
»Bitte, dann tu das.«
»Ja, sofort.«
Es stand nicht hundertprozentig fest, dass wir uns auf der richtigen Spur befanden, aber es war immerhin ein Anfang.
Vielleicht hatten auch unsere Kollegen geschlafen. Einen derartigen Mörder nur unter eine Doppelbewachung zu stellen, war möglicherweise ein Fehler gewesen. Auch wenn der Killer angeschossen gewesen war und sich noch nicht richtig erholt hatte.
Terrence Bull telefonierte wie ein Weltmeister. Nach dem vierten Anruf hatte er einen Erfolg erzielt. Er sprach jetzt auch den Namen des zweiten Mannes aus. Amos Hill. Dann hörte er seinem Gesprächspartner noch ein paar Sekunden zu, machte sich Notizen und wandte sich wieder an uns.
»Geschafft?«, fragte ich.
Bull schnaufte. »Ich denke schon.«
»Und? Was kannst du uns erzählen?«
Terrence Bull nahm den Zettel. Er hielt ihn dicht vor seine Augen. »Der Mann heißt Amos Hill«, erklärte er mit leiser Stimme. »Seit knapp drei Monaten ist er pensioniert. Ob aus Altersgründen oder einfach nur, weil er kaputt war, das weiß ich nicht.«
»Kennst du seinen Wohnort?«
Bull lächelte mir zu. »Er lebt in Whiteburn.«
»Kenne ich nicht«, meinte Suko.
»Aber ich.« Ich schlug Suko auf die Schulter. »Es sind nur ein paar Kilometer von hier.«
»Willst du sofort losfahren?«
»Ja.«
»Und was ist mit dem Betrieb des Steinmetzes? Wie hieß der Neffe noch gleich?«
»Clive Navis.«
»Genau.«
»Da fahren wir später hin. Wir müssen Hill warnen. Er kann nicht mehr in seinem Haus oder seiner Wohnung bleiben.« Ich schaute Konstabler Bull an. »Du weißt nicht zufällig, in welcher Straße er wohnt?«
»Nein, aber in den Kaffs kennt doch jeder jeden.«
Das stimmte. Uns hielt nichts mehr. Wir wollten uns auch nicht telefonisch anmelden, aber Bull holte uns an der Tür ein.
»Es ist besser, wenn wir ihm sagen, was…«
»Warnen?«, fragte Suko.
»Kann ja sein, dass er nicht zu Hause ist.«
Wir stimmten zu. Irgendwie hatte ich auch das Gefühl, es tun zu müssen.
Den Anruf überließen wir Terrence Bull. Die Nummer hatte er schnell gefunden. Er lächelte, als er sie eintippte, doch das Lächeln gefror ihm sehr schnell auf den Lippen, als er merkte, dass der Ruf durchging, aber niemand abhob.
»Nicht zu Hause?«, fragte ich.
»Sche int so.«
Suko und ich tauschten einen Blick. Wir überlegten beide und kamen zu dem gleichen Ergebnis.
Suko fasste es in einem
Weitere Kostenlose Bücher