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1204 - Der Häuter

1204 - Der Häuter

Titel: 1204 - Der Häuter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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es, wenn wir zuerst einen Blick auf ihn werfen.«
    »Das ist kein Problem. Kommen Sie mit.«
    Wir blieben nicht in diesem Bereich. Der Professor führte uns in einen anderen Trakt hinein, in dem wohl die schweren Fälle untergebracht worden waren, denn er war durch eine Gittertür von dem übrigen Haus getrennt.
    War die Umgebung schon zuvor nicht sehr freundlich gewesen, so veränderte sich dies zur negativen Seite hin. Es gab zwar Licht, aber das hellte die grauen Wände und die dicken Türen des Ganges kaum auf. An jeder Tür befand sich auch das berühmte Guckloch, sodass wir keine Schwierigkeiten haben würden, uns den Häuter anzuschauen.
    Nichts dämpfte das Echo unserer Tritte. Erst als der vorgehende Professor vor einer bestimmten Tür anhielt, wurde es wieder still. »Wir sind da«, sagte er.
    Das Gucklock war durch eine Klappe verhängt. Morgan drückte sie zur Seite und schaute als Erster hindurch.
    Nicht lange, dann drehte er sich uns wieder zu, und auf seinem Gesicht erschien ein Lächeln. »Es ist alles in Ordnung, Gentlemen. Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen. Ben Navis sitzt an seinem Tisch und faltet Papier.«
    »Bitte, was tut er?«, fragte ich.
    »Er faltet Papier oder Tüten. Damit beschäftigt er sich.«
    »Warum?«
    »Vielleicht denkt er, dass es die Haut eines Menschen ist.«
    »Nun ja, so kann man es auch sehen.« Mich hielt nichts mehr zurück. Ich wollte den Häuter endlich sehen und spürte den leichten Druck im Magen. Automatisch dachte ich an die Vergangenheit. Da drängte sich wieder einiges in die Höhe. Es würde noch stärker werden, wenn ich mir denjenigen anschaute, der mich damals mit seiner Sense hatte zerteilen wollen.
    Ich schob die Klappe vor der Optik zur Seite und warf einen ersten Blick in die Zelle.
    Es sah alles normal aus. Für mich jedenfalls. Ich sah das Bett, das Waschbecken, den Abtritt, den Tisch und auch den Stuhl.
    Am Tisch und auf dem klobigen Holzstuhl saß Ben Navis. Er trug eine graue Jacke und eine graue Hose. Sogar das Unterhemd bestand aus dieser Farbe. Und er faltete sein Papier.
    Ich sah es sehr gut, denn der Tisch stand der Tür genau gegenüber. Navis saß mit dem Gesicht zu mir, nur schaute er nicht hoch. Er war voll und ganz in seine Arbeit vertieft. Der Häuter hatte sich eine Papiertüte vorgenommen und machte sie mit seinen Händen. Neben ihm auf dem Boden stapelten sich schon einige seiner Tüten.
    Ich sah auf seinen Kopf. Wenig Haare nur. Ein dunkelgrauer Schimmer, nicht mehr. Sein Gesicht sah ich noch immer nicht.
    In der Zwischenzeit war mir wieder in den Sinn gekommen, wie Navis damals ausgesehen hatte. Da hatte mich sein Kopf von der Form her an einen Totenschädel erinnert.
    Und hier?
    Ich sah das Gesicht nicht. Erste Zweifel bauten sich bei mir auf. Diese Kopfform war schon anders, das fand ich zumindest, und ich fragte mich, ob sie sich tatsächlich so verändern konnte.
    Ich wusste nicht, ob er mich gesehen oder gespürt hatte.
    Jedenfalls unterbrach er seine Arbeit ziemlich abrupt. Er schob seine Tüte mit einer heftigen Bewegung an den Rand des Tisches, blickte dann hoch und schaute zur Tür.
    Ich sah sein Gesicht.
    Augen, die nichtssagend waren. Ein Mund, der ein Grinsen zeigte. Eine blasse Haut und eine Nase, die wie ein dicker Knoten in seinem Gesicht saß.
    Es waren sechs Jahre vergangen, aber etwas stand trotzdem für mich fest.
    Der Mann in der Zelle war nicht Ben Navis, der Häuter!
    ***
    In diesem Augenblick der Erkenntnis hatte ich das Gefühl, als wäre mir der Boden unter den Füßen weggezogen worden. Ich ruckte in den Knien ein, und auf meiner Stirn hatten sich innerhalb kürzester Zeit Schweißperlen gesammelt. Mein Atem war sehr laut. Mit einer sehr langsamen Bewegung drehte ich mich um.
    Suko sah mir sofort an, dass etwas nicht stimmte. »He, John, was hast du?«
    Ich wischte zunächst über meine Augen hinweg. Dann schü ttelte ich den Kopf. »Das ist nicht Ben Navis.«
    Ich hatte die Worte leise gesprochen, doch sie waren von beiden Männern verstanden worden. Suko erwiderte zunächst nichts. Seine Gesichtszüge froren ein und wirkten wie betoniert.
    Der Professor stieß schnaufend die Luft aus.
    »Was haben Sie da behauptet, Mr. Sinclair?«
    »In dieser Zelle sitzt nicht Ben Navis.«
    »Unmöglich.«
    »Das sagen Sie!«
    »Aber… aber…«, er schnappte nach Luft.
    »Es ist genau der Mann, der hier vor sechs Jahren eingeliefert wurde. Daran gibt es nichts zu rütteln. Er ist auch nicht einmal auf Freigang

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