1204 - Der Häuter
es mit unseren eigenen Augen. Und wieder drängten sich in mir die Vorwürfe hoch, damals nicht weiterhin am Ball geblieben zu sein. Aber das brachte jetzt auch nichts.
Wir rochen beide das Blut und hielten den Atem an oder atmeten nur so flach wie möglich.
Es war sehr still. Deshalb hörten wir auch die Schritte auf der Treppe und dann die Stimme der Frau.
»Haben Sie meinen Mann gefunden?«
Nein, nur das nicht. Alma Hill durfte nicht eintreten und das Grauen hier sehen.
Suko dachte ebenso wie ich. Da er näher an der Tür stand, huschte er hinaus, um die Frau abzufangen. Ich hörte sie miteinander sprechen. Suko hatte seiner Stimme einen ruhigen Klang gegeben, um Mrs. Hill zu erklären, dass sie nicht in die Waschküche gehen konnte.
Das reichte ihr, um durchzudrehen. Ich hörte sie schreien und reden zugleich. Sie wurde hysterisch, und ich beneidete meinen Freund nicht um seine Aufgabe.
Ich stand ihm trotzdem nicht zur Seite, denn mir war etwas anderes aufgefallen.
In der Waschküche gab es noch eine zweite Tür, die an der Seite lag, an der sich auch das Fenster befand. Vor der Tür malten sich auf dem Boden Blutstropfen ab, und ich sah sie auch am Holz kleben. Der Häuter hatte diesen Ausgang zur Flucht benutzt. Mein Gefühl sagte mir, dass die Tat noch nicht lange zurücklag.
Ich warf einen Blick durch das Fenster und sah die Treppe.
Wahrscheinlich endete sie an der Hinterseite des Hauses und führte in den Garten.
Suko und Mrs. Hill befanden sich noch immer in der Nähe.
Ich hörte, wie Suko die Frau drängte, nach oben zu gehen. Da sie sich weigerte, würde mein Freund Gewalt anwenden müssen.
Ich öffnete die Tür, die der Killer in der Eile nicht geschlo ssen, sondern nur angelehnt hatte.
Ja, auch auf den grauen Stufen der Steintreppe entdeckte ich die roten Tropfen. Ich stieg vorsichtig höher, weil ich mit allem rechnete.
Mir kroch dabei ein kalter Schauer über den Rücken, der auch beim Weitergehen nicht verschwand. Hinter meiner Stirn tuckerte es, als säße dort ein schlagendes Herz.
Mich empfing ein leichter Wind. Das Licht des Tages schwand allmählich dahin. Die Farbe des Himmels hatte sich in ein fleckiges Schiefergrau verwandelt.
Nach der dritten Stufe konnte ich über die Stützmauer an der linken Seite schauen.
Ein Garten breitete sich aus. Ich sah ihn besser, je höher ich ging. Er sah winterlich aus. Da gab es keine Blumen, die Farbe gebracht hätten. Die Beete sahen kahl aus. Manche davon wirkten wie Gräber, die man zu pflegen vergessen hatte.
Ein paar gestutzte Hecken, etwas Rasen, ein Holzzaun, zwei Plattenwege, die sich kreuzten und auch zu den Beeten führten.
An einer Stelle standen die dunklen Tannen sehr dicht. Das konnte die Grenze zum Nachbargrundstück sein.
Da das Grundstück etwas höher lag, war auch der Wind deutlicher zu spüren. Er verteilte sich auf meinem Gesicht. Ich merkte das Frösteln auf meinem Körper, doch das lag nicht nur am Wind allein. Auch die Vorgänge hier hatten mich verdammt mitgenommen.
Ich sah auch die Bewegung bei den Tannen.
Das war nicht der Wind!
Urplötzlich war ich alarmiert. Es gab keine Lücken zwischen den Nadelbäumen, sie standen einfach zu dicht beisammen und trotzdem konnte es sein, dass sich dort jemand verborgen hielt.
Ich lief mit schussbereiter Waffe auf die Bäume zu. Für einen Moment klappten einige Zweige nach unten, sodass eine Lücke entstand, und darin zeichnete sich für einen Moment etwas ab, das ich nicht als Gesicht ansah. Es war wie eine grünliche Maske und trotzdem blass, und es hatte die Form eines blanken Totenschädels.
Innerhalb einer Sekunde war die Erinnerung wieder da. Ich sah mich auf dem Boden liegen, ich sah den Killer mit der Sense, und ich erinnerte mich wieder an sein Gesicht.
Das hatte einem Menschen gehört. In diesem Fall allerdings schaute ich auf einen Totenschädel, und der hatte mit einem menschlichen Gesicht nichts zu tun.
Wie das zu verstehen war, wusste ich nicht. Es war mir auch in diesem Fall egal. Für mich stand fest, dass ich den Killer gesehen hatte. Der Häuter war nicht weit von mir entfernt, und die dichten Tannen schützten ihn.
Ich startete mit langen Schr itten, und auch er musste mich gesehen haben, denn die Zweige fielen wieder zusammen und wippten nur noch kurz nach.
Es hatte keinen Sinn, wenn ich mich durch Tannen wühlte. Es war besser, um sie herumzulaufen, auch wenn ich dabei einen weiteren Weg nehmen musste. Ich hatte nicht gesehen, was hinter den
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