1204 - Der Häuter
Tannen lag. Das konnte ein leeres Grundstück sein oder eines, das dem Nachbarn gehörte. In diesem Fall sollte es für mich keine Rolle spielen.
Es war gar nicht so einfach, über den feuchten Boden zu laufen, der an manchen Stellen seifig glatt war. Ich fiel nicht hin und erlebte nur einen kurzen Stopp, weil ich über den verdammten Zaun klettern musste.
Er bildete nicht die Grenze zum Nachbarn, denn das Gelände dahinter war frei.
Und dort bewegte sich auch der Häuter.
Er rannte einen Abhang hinab. Wenn er so weiterlief, würde er die Straße erreichen. Er war verflucht schnell, trotz der Sense, die er über seine Schulter gelegt hatte.
Es war ein schauriges Bild unter dem grauen Himmel, denn ich hatte das Gefühl, als wollte der Tod vor mir Reißaus nehmen. Wer ihn nicht kannte und mit den brutalen Morden nicht vertraut war, hätte ihn für eine flüchtende Gestalt aus irgendeiner Geisterbahn halten können, einen so lächerlichen Eindruck machte er im ersten Moment auf mich.
Ich hatte den Zaun überwunden und beging dann einen Fehler. Ich wollte ihn mit einer Kugel stoppen, ließ die Waffe allerdings schon nach zwei Sekunden sinken, denn die Entfernung war einfach zu groß. Von den anderen Häusern her wurde er nicht gesehen. Ich war ihm allein auf den Fersen und rannte los.
Natürlich hatte ich durch meine Aktion Zeit verloren, was mich ärgerte. Umso mehr setzte ich ein, um ihn doch noch zu erreichen. Er rutschte aus, und das war kein Zufall, denn das Gelände führte abwärts zur Straße hin. Es war mit Gras, mit niedrigem Buschwerk und Flechten bewachsen. Das winterliche Unkraut sah alles andere als frisch aus, und ich patschte auch in Pfützen hinein.
Der Häuter war nicht mehr zu sehen. Eine zu steile Böschung mit einem zu steilen Winkel. Ich hatte mir ungefähr die Stelle gemerkt, an der er verschwunden war, blieb auch dort stehen und entdeckte die Schleifspuren in der braunen Erde an der Böschung.
Er war hineingeglitten, hatte einen Straßengraben übersprungen und sich dann in Luft aufgelöst. Jedenfalls bekam ich ihn nicht zu Gesicht. Mein Blick fiel auf die andere Straßenseite, wo ebenfalls Häuser standen, zwei davon noch im Rohbau. Der Häuter hätte sie in der Zwischenzeit erreichen und sich dort verstecken können. Aber er hätte auch einen anderen Weg einschlagen können, und deshalb war es für mich müßig, die Rohbauten zu durchsuchen. Er war mir entwischt, daran gab es nichts zu rütteln.
Ich spürte den Ärger, der sich tief in mein Innerstes hineindrängte. Den Fehler hatte ich begangen, wieder mal. Wie schon vor sechs Jahren, als ich Navis den Kollegen überlassen hatte.
Ungefähr eine Minute blieb ich noch stehen und schaute mich immer wieder um. Dabei sah ich nichts Verdächtiges, aber ich hörte, dass irgendwo in einem nicht sichtbaren Bereich ein Auto gestartet wurde, das dann losfuhr.
Leider rollte es nicht die Straße hinab. So wusste ich nicht, nach welch einem Fahrzeug ich suchen sollte. Es blieb mir vorläufig nichts anderes übrig, als wieder zurück ins Haus zu gehen, wo Suko und Alma Hill auf mich warteten…
***
Wieder nahm ich den Weg durch den Keller. Schon auf der Treppe hörte ich das Weinen, in das sich leise Schreie hineinmischten. Dieses Geräusch steigerte meine Wut noch, die sich zu einem regelrechten Hass auf den Killer steigerte.
Suko hatte Mrs. Hill ins Wohnzimmer gebracht. Beide saßen auf einer wuchtigen Ledercouch. Alma Hill hatte ein Tuch vor ihr Gesicht gepresst. Suko gab auf sie Acht und schaute hoch, als er mich ankommen sah.
»Ich habe ihn verloren.«
»Dann hast du ihn gesehen?«
»Ja.« Ich ließ mich in einen Sessel fallen. Mit leiser Stimme gab ich Suko die Beschreibung und auch einen Bericht.
»Leider ist er schneller gewesen. Wieder mal.«
»Es ist nicht deine Schuld, John.«
Ich winkte ab. »Hör auf, das sagt sich leicht. Ich hefte es mir aber an die Fahne, wie schon einmal.«
»Kann ich mir denken. Ich habe übrigens die Kollegen angerufen. Das heißt, Terrence Bull. Er wird sich um alles Weitere kümmern. Außerdem braucht Mrs. Hill einen Arzt.«
Ich schaute auf die Frau, die noch immer in der gleichen Haltung saß und weinte. »Hast du…?«
»Nein, John, ich habe nichts getan. Ich war nicht mit ihr in der Waschküche, wenn du das gemeint hast.«
»Habe ich. Es wäre auch schlimm gewesen. Sie braucht Ruhe und muss in ein Krankenhaus.«
Da hatte er Recht. Aber wir konnten auch nicht hier im Haus bleiben. Der Häuter
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