1205 - Wer die Totenruhe stört
in sein kleines Haus hineingehen wollte.
»Lassen Sie das, Mr. Averell. Sie haben einmal Glück gehabt. Ob es ein zweites Mal so sein wird, dafür kann ich nicht garantieren. Sie müssen jetzt vorsichtig sein.«
»Aber es ist mein Haus!«, widersprach er.
»Vergessen Sie es.«
Ich war nach links gegangen und hielt mich nahe der Wand auf. Hier sah der Fußboden noch aus wie immer. Die Lücken entdeckte ich vor mir, und auch der schwarze Nebel war nicht zu übersehen, ebenso wie der feuchte Schlamm in der Tiefe.
Nur Totenschädel sahen wir nicht. Sie blieben einzig und allein auf den Friedhof beschränkt.
Eine direkte Gefahr drohte uns nicht.. Es gab den Angreifer nicht als Person. Man musste das hier als ein großes Ganzes betrachten, das von einer unheimlichen Macht gelenkt wurde.
Das Gebiet unter der Erde schien von einem riesigen Kraken beherrscht zu sein, der seine Fangarme in alle Richtungen gestreckt hatte.
Ich kehrte wieder zu beiden zurück. »Tut mir leid, aber da ist wohl nichts zu machen, Mr. Averell. Sie müssen Ihr Haus hier vorläufig aufgeben. Vielleicht können Sie es später mal renovieren. Im Moment können Sie es vergessen.«
»Ja!«, flüsterte er scharf. »Ja, verdammt, das kann ich. Aber ich will es nicht. Ich will es nicht vergessen, verstehen Sie? Das ist mein Eigentum. Ich habe verdammt viel Arbeit hineingesteckt, um überhaupt so weit zu kommen. Meinen Sie denn, Mr. Sinc lair, ich werfe das einfach so weg?«
»Vorerst müssen Sie das.«
Er sah aus wie jemand, der gleich explodierte, dann sah er ein, dass ich Recht hatte, und nickte. »Klar, hier hat sich etwas abgespielt, gegen das wir nicht ankommen.«
»Sie sagen es, Mr. Averell.«
»Wissen Sie denn Bescheid?«
Die Frage hatte mir gegolten, und ich musste leider den Kopf schütteln.
»Sie, Suko?«
»Nein, auch nicht. Noch nicht.«
»Wie sollten Sie auch«, sagte Averell leise. »Hier erlebt man Dinge, die man keinem erzählen kann. Das ist der wahre Horror. Viel schlimmer als in allen meinen Filmen. Ich hätte nie gedacht, dass so etwas überhaupt möglich ist. Leben in der Tiefe. Aber was ist das für ein Leben? Kann man es so überhaupt bezeichnen?«
Wir mussten dem Mann eine Erklärung geben und scheuten davor auch nicht zurück. »Sie können es als dämonisches Leben ansehen«, sagte Suko mit leiser Stimme, während er Averell schon wieder aus seinem Haus ins Freie drängte, weil ich ihn durch mein Nicken dazu aufgefordert hatte. »Oder Sie bezeichnen es besser als Existenz. Als etwas, das eigentlich nicht sein darf, aber trotz allem vorhanden ist. Nur so können Sie damit fertig werden.«
»Ich nicht.«
»Akzeptieren Sie es trotzdem, Mr. Averell.«
Die beiden hatten sich so weit vom Haus entfernt, dass sie meine Aktivitäten nicht störten. Ich wollte die Veränderungen nicht so einfach hinnehmen und musste etwas dagegen unternehmen.
Das Kreuz hing noch vor meiner Brust. Wie schon so oft streifte ich die Kette über meinen Kopf. Dann ließ ich den Talisman für einen Moment auf meiner Hand liegen wie jemand, der die Wärme des Metalls genießt.
Noch tat sich nichts. Die Wärme blieb gleich. Das Kreuz sonderte auch keine Strahlung ab. Ich wollte es in die Nähe des seltsamen Schlamms bringen, um herauszufinden, ob es eine Reaktion gab.
Ich suchte mir einen sicheren Platz aus, an dem mir der Boden den entsprechenden Halt bot. Breitbeinig stellte ich mich hin und bückte mich dann.
Ich spürte den kalten, dunklen Nebel, der gegen mein Gesicht drang, als wollte er mir den Atem rauben. Die Masse unter dem Boden schimmerte so, als befände sie sich in einem Fluss. Ich hielt die Kette fest und senkte das Kreuz immer mehr dieser Masse entgegen, sodass es bald nur handbreit darüber hinwegschwebte.
Diesmal klappte der Test nicht so wie ich es mir gewünscht hatte. Der Schlamm verhärtete sich nicht. Es fielen auch keine Strahlen vom Kreuz her nach unten in die Masse hinein, aber ich hatte trotzdem etwas durch meine Aktion erreicht.
Die Masse war nicht tot. Sie lebte. Oder in ihr lebte etwas, denn ich wurde den Eindruck nicht los, als wären fremde Gedanken dabei, sich in meinen Kopf zu drehen.
Etwas Böses griff mich an. Etwas Bedrohliches und auch Gefährliches. Ich merkte, wie mich die Gedanken übernehmen wollten und konzentrierte mich darauf.
»Der Tod ist besiegt.«
»Die Rückkehr ist nahe.«
»Engel sind ewig…«
Wörter wie Fetzen. Für einen Moment balancierten sie durch meinen Kopf, setzten sich dort
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