1205 - Wer die Totenruhe stört
brach die Erde auf. Für mich zumindest war es wie im Kino. Die Straße vor dem Vauxhall platzte auseinander. Sie bäumte sich in die Höhe, sie faltete sich seitlich, sodass ein Krater entstand.
Suko konnte nicht mehr rechtzeitig genug bremsen. Wir rollten über die Veränderung hinweg, der Vauxhall erhielt einen heftigen Schlag gegen den Boden. Wir wurden in die Höhe geschleudert und sahen vor uns den körperbreiten Querriss.
Ich klammerte mich fluchend am Haltegriff fest und fühlte mich für Sekunden so verdammt hilflos. Auch Suko konnte nichts dagegen tun, dass sich unser Wagen quer stellte, aber er trat das Bremspedal durch, und dann standen wir…
***
Keiner von uns spürte Erleichterung, wie es eigentlich hätte sein müssen. Wir schauten uns nur an, und in unseren Blicken zeigte sich die Spannung, die uns umklammert hielt.
Es gab nichts zu rütteln. Wir waren in das Erdbebengebiet hineingefahren und standen nun schräg auf der Straße, die bereits durch Löcher und Risse gezeichnet war.
Zur linken Seite hin war der Wagen leicht abgesackt. Ich konnte mir vorstellen, dass sich das entsprechende Rad in einer Spalte festgefahren hatte und wir Mühe bekamen, uns wieder zu befreien.
Die Veränderung hatte wirklich nicht lange gedauert. Sekunden nur, aber in dieser Zeit hatte uns schon der Schock getroffen. Zunächst waren wir nicht in der Lage, ein Wort zu sagen.
Es war auch seltsam still um uns herum. Wir hörten das leise Grollen nicht mehr, und die Erde bewegte sich ebenfalls nicht.
»Erwischt«, flüsterte mein Freund.
»Und jetzt?«
Suko grinste. In sein Gesicht kehrte allmählich die Farbe zurück. »Sehen wir uns den Schaden mal an.«
Dagegen konnte auch ich nichts einwenden. Ich schnallte mich los und fragte mich dabei, ob es wirklich Zufall gewesen war, dass uns das Erdbeben erwischt hatte.
Ich beschloss, die Frage zu bejahen. Es war Zufall. Es steckte keine Absicht dahinter. Wieso auch?
So richtig überzeugen konnten mich die eigenen Gedanken allerdings nicht. Wir hatten eigentlich immer das Pech, dort zu sein, wo der Busch brannte. Es hätte mich sogar gewundert, wenn es hier mal anders gewesen wäre.
Der Vauxhall stand tatsächlich etwas schief. Da hatten wir uns nicht geirrt.
Wir öffneten die Türen und merkten sofort den Wind, der uns entgegenschlug. Geduckt kletterten wir aus dem Fahrzeug, die Blicke zu Boden gerichtet.
An meiner Seite zeigte er einen fußbreiten Querriss. Ich stieg über ihn hinweg und erhielt den normalen Halt. Nachdem ich die Tür geschlossen hatte, richtete ich mich auf, weil ich mir einen ersten Überblick verschaffen wollte.
Der sah nicht besonders gut aus. Die schmale Straße hatte schon arg etwas abbekommen. An zahlreichen Stellen vor und hinter uns war sie aufgerissen. Die Öffnungen zogen sich wie die Arme eines Spinnennetzes durch die Straße und auch in das Gelände hinein, das an der linken Seite zum Friedhof hinführte.
Auch auf dieser Strecke war der Boden gespalten, und ich konnte mir vorstellen, dass dieses lokale Beben auch nicht vor dem Friedhof Halt gemacht hatte. Irgendwelche Beschädigungen waren aus dieser Entfernung nicht zu sehen.
Dann schaute ich mir das Heck des Vauxhalls an. Wir steckten tatsächlich fest. Mit dem linken Hinterrad waren wir in eine Spalte gerutscht. Allerdings sah es nicht so gefährlich aus. Da würden wir wieder rauskommen.
Als ich Suko davon in Kenntnis setzte, winkte er locker ab.
Dann wies er über den Rand der Straße hinweg in Richtung Friedhof.
»Die Spuren reichen bis zu ihm, John. Du kannst sie an manchen Stellen verfolgen.«
»Was willst du damit sagen?«
»Lieber nichts.«
Ich konnte mein Lachen nicht unterdrücken, weil ich ahnte, in welche Richtung Sukos Gedanken liefen.
»Glaubst du, dass dieses Beben einige Gräber umgewühlt hat, damit das Oberste nach unten gekehrt wird?«
»Ich kann mir alles vorstellen.«
»Okay, wir könnten nachschauen.«
Er drehte sich um. »Willst du das denn?«
»Zeit genug haben wir. Außerdem gehört das irgendwie zum Job. Findest du nicht?«
Ich sah, dass mein Freund lächelte.
Er gab mir Recht. Wie ich uns kannte, würden wir uns auch die Umgebung anschauen, aber zuvor wollten wir den Vauxhall freibekommen. Mein Freund setzte sich wieder hinter das Lenkrad. Die Tür ließ er offen, weil er hören wollte, was ich für Kommandos gab. Suko musste langsam anfahren und entsprechend vorsichtig mit dem Gas umgehen.
Die Kommandos gab ich nicht mehr.
Es war still,
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