1208 - Leichenwelten
hatte.
Wir ließen uns von nun an Zeit und betrachteten jedes Bild genau. Die meisten zeigten normale Tote, aber es gab auch welche unter ihnen, die uns misstrauisch machten. Nur konnten wir leider nicht nachprüfen, ob es tatsächlich Zombies waren.
Das ärgerte mich schon. Außerdem bezweifelte ich, dass uns jemand wie Goya die volle Wahrheit sagen würde.
Alle Aufnahmen waren in der Karibik und auch in Afrika aufgenommen worden. Dieser Fotograf war wirklich in der Welt herumgekommen, sicherlich auf den Spuren des Voodoo gewandert.
Die Durchgänge zwischen den einzelnen Räumen waren immer gleich groß. Auch beim vierten Ausstellungsraum in den fünften und letzten verhielt es sich so. Wir schoben uns durch die Tür und waren im ersten Moment überrascht.
Das lag zunächst am Licht, denn hier schossen Scheinwerfer in breiten Bahnen ihre Helligkeit gegen die Ausstellungsstücke.
Das musste so sein, denn die Bilder, die hier an den Wänden hingen, waren um einiges größer als die in den vorderen Räumen.
Man konnte sie als menschengroß bezeichnen, und wir sahen keine neuen Fotos, sondern welche, die wir schon in dem Raum davor gesehen hatten. Nur hatte hier jemand selektiert und nur die Bilder vergrößern lassen und ausgestellt, die ihm besonders gut gelungen waren.
Man konnte sagen, dass Aristide den Geschmack der Toten besaß.
Zombie-Fotos reihten sich an den Wänden auf. All die Aufnahmen, bei denen auch Suko und ich skeptisch gewesen waren, bekamen wir hier noch mal vergrößert präsentiert.
Und jedes Bild wurde von einem eigenen Scheinwerfer zielgenau angestrahlt.
Ich sah Suko an, der mich.
»Ganz einfach, John. Das ist seine Spielstätte. Hier will er den Besuchern klarmachen, was ihm wichtig ist.«
»Zombies also.«
»Ja.«
Um die Bilder von unten bis oben betrachten zu können, musste der Besucher den Kopf schon in den Nacken legen. Sie waren nicht alle gleich groß. Einige endeten fast an der Decke.
Jedes Bild hatte einen knochenbleichen Rahmen.
Vergrößert hinterließen sie in der Tat einen gewaltigen Eindruck, dem auch wir uns nicht entziehen konnten. Erst jetzt sahen wir, was diese Fotos rüberbrachten. Es war tatsächlich die unheimliche und dumpfe Atmosphäre einer bösen, vom Voodoo-Zauber gezeichneten Welt. Falls es sich bei den Menschen um Zombies handelte, so waren die Bilder ihrer toten Augen stets auf den Betrachter gerichtet. Sie sahen aus, als wollten sie jeden Augenblick aus dem Bild herausspringen und sich auf uns stürzen. In den übrigen Räumen hatten wir stets die Flüsterstimmen der anderen Besucher gehört. Hier sprach niemand. Die Menschen waren still geworden. Sie hielten die Lippen zusammengepresst und gaben sich voll und ganz dieser Atmosphäre und natürlich den Motiven der Bilder hin.
Wer diesen Raum durchschritten hatte, konnte die Ausstellung wieder verlassen. Der Durchgang befand sich an der Seite, und ich wollte sehen, wohin er führte.
Als ich den Kopf um die Ecke drehte, konnte ich nur in eine Richtung schauen. Der Gang führte nach rechts, und er würde in der Nähe des Eingangs enden. Wer dort herging, passierte noch die großen Fenster des Gebäudes an der Ostseite und konnte seinen Blick über den Platz schweifen lassen.
Suko war mir gefolgt und hatte sich ebenfalls kundig gemacht. »Ist das der Weg zu Goya?«
»Glaube ich nicht.«
»Wo müssen wir dann hin?«
Mit dem rechten Daumen deutete ich an meiner linken Schulter vorbei.
»Da ist die Tür.«
Suko runzelte die Stirn. »Sieht mir verdammt abgeschlossen aus.«
»Mal sehen.«
Bevor wir es probieren konnten, standen wir beide plötzlich wie angewachsen auf der Schwelle.
Zugleich hatten wir die dumpfen, wenn auch entfernten Geräusche gehört.
Und die hätten wie Schüsse geklungen!
Zunächst taten wir gar nichts. Wir schauten uns an, lauschten, ließen zwei Besucher an uns vorbei, die uns kopfschüttelnd betrachteten, weil wir im Weg standen, lauschten weiter, und unser Wunsch erfüllte sich nicht. Es fielen keine weiteren Schüsse.
»Du hast sie auch gehört, nicht?«, fragte ich Suko.
»Klar.«
»Schüsse?«
Er nickte. »Wobei ich nicht herausgefunden habe, ob es zwei oder drei gewesen sind.«
»Also hinter der Tür und relativ weit entfernt.« Ich umfasste die Klinke, doch die Tür ließ sich nicht öffnen. Sie war abgeschlossen.
»Da gibt es nur eins. Aufbrechen.«
Suko hatte es erfasst. Nur würden wir dabei Aufsehen erregen, aber das war bereits geschehen. Einer der
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