1208 - Leichenwelten
Ich habe in der Karibik meine Spuren hinterlassen. Jetzt bin ich dabei, mir hier in London etwas aufzubauen. Das fängt mit der Ausstellung an. Ich ziehe damit noch durch andere Städte Europas, aber in jeder hinterlasse ich meine Spuren, und nicht nur die Erinnerung an meine Bilder. Auch noch andere, wenn Sie verstehen.«
»Sie sprechen von Zombies, nicht wahr?«
Goya nickte und lächelte zugleich.
Jane schluckte. Sie hatte dieses Geständnis irgendwie erwartet, dennoch ging es ihr an die Nerven. Sie spürte den leichten Schweißfilm auf ihrer Haut, und automatisch baute sich in ihrem Kopf eine nächste Frage auf, die sie erst nach einer kleinen Weile stellte, weil sie Furcht vor der Antwort hatte.
Goya wartete gelassen ab und lächelte noch breiter, als er Janes Frage hörte. »Sie haben hier in der Stadt bereits Ihre Spuren hinterlassen?«
»Selbstverständlich.«
Jane schluckte. »Okay. Dann… dann… gibt es hier bereits den einen oder anderen Zombie?«
»Sie sagen es.«
Jane holte tief Luft. »Okay, ich habe verstanden. Und wo gibt es ihn?«
Aristide Goya lachte und schlug dabei auf seine Schenkel.
»Ich hatte Zeit genug, Jane. Und ich habe diese Zeit reichlich genutzt. Es gibt meine Freunde in London. Unter anderem habe ich mir jemanden aus einem Asylbewerberheim geholt. Ich habe den Mann praktisch gestohlen, ihn dann verändert und wieder zurückgeschickt. Ich denke mir, dass er bei seinen eigenen Leuten schon für große Panik und Grauen gesorgt hat. Davon können Sie einfach ausgehen. Ich bin wie ein Stern, der seine Strahlen überall hinschickt.«
Jane fröstelte, als sie diese Worte hörte. Und sie wusste sehr gut, dass der Mann sie nicht angelogen hatte. Er war jemand, der genau wusste, was er tat und welchen Weg er zu gehen hatte. Sie brauchte nur in sein Gesicht zu sehen, um die Wahrheit dort zu erkennen.
»Es ist ein Anfang, Jane.«
»Und wie sieht das Ende aus?«
Aristide kicherte. »Das kann ich Ihnen nicht sagen. Aber denken Sie daran, dass ich meine Spuren in allen Städten hinterlasse, die ich besuchen werde. London, Paris, Rom, Berlin - plötzlich tauchen dort die lebenden Toten auf. Niemand kann sich vorstellen, woher sie gekommen sind. Dieser Gedanke besitzt schon etwas Faszinierendes, oder nicht?«
»Wenn man es so sieht wie Sie, bestimmt.«
»Genau, Jane.« Er deutete mit seinem rechten Zeigefinger auf sie.
»Und Sie werden ebenfalls dazu gehören. Es wird mir eine besondere Freude bereiten, Sie in einen Zombie zu verwandeln. Darauf können Sie sich verlassen.«
Jane war nicht überrascht, das zu hören. Deshalb zeigte sie auch kaum eine Reaktion.
»Perfekt, nicht wahr?«
»Für Sie schon. Aber um diesen Plan durchzuführen, dazu gehören zwei Personen.«
»Klar. Sie und ich.«
»Es könnte doch sein, dass ich etwas dagegen habe, Mr. Goya.«
Der Künstler sah Jane fast mitleidig an. »Ihr Widerstand in allen Ehren, Jane, aber glauben Sie wirklich, dass Sie gegen mich ankommen? Ich nicht.«
»Das werde ich herausfinden.«
»Bitte.«
Jane ließ sich auch von seiner Überheblichkeit nicht verunsichern.
Sie war eine Frau, die schon einige Höllen durch- und überlebt hatte.
Deshalb ließ sie sich auch diesmal nicht ins Bockshorn jagen. Egal, wohin sie ging, die Waffe trug sie immer bei sich, und mit einer schnellen und gekonnten Bewegung zog Jane die Beretta und legte auf Aristide Goya an.
»Ich denke, jetzt habe ich das Zepter übernommen…«
***
Goya blieb sehr ruhig. Ungefähr so still wie Jane, nachdem sie sein Geheimnis entdeckt hatte. Von seinem Platz aus schaute er beinahe verständnislos auf die Beretta, wobei er maliziös lächelte, als wollte er damit andeuten, dass alles keinen Sinn hatte und die Pistole für ihn gar nicht vorhanden war.
»Ich denke nicht, dass Sie Ihre Europa-Pläne in die Tat umsetzen werden, Mr. Goya.«
»Sie wollen mich daran hindern?«
»Ja.«
»Mit der Waffe?«
»Wie Sie sehen!«
»Denken Sie denn, dass Sie mir Angst einjagt?«
»Nein, das nicht unbedingt. Ich glaube allerdings, dass Sie vor ihr schon Respekt haben. Oder bezeichnen Sie sich selbst als kugelfest, Mr. Goya?«
»Es gibt auch Menschen, die das sind.«
»Wie auch immer.« Jane erhob sich mit einer schnellen Bewegung.
»Zunächst bin ich an der Reihe.«
»Soll ich jetzt die Arme heben?«, fragte er spöttisch.
»Nicht nötig. Sie werden sich nur ruhig verhalten.«
»Da brauchen Sie keine Sorge zu haben, Jane. Ich werde mich ganz nach Ihren Wünschen
Weitere Kostenlose Bücher