121 - Die Jagd nach dem Januskopf
andeuten?" Ich stand auf und starrte Kiwibin durchdringend an.
„Ich fürchte, daß unsere Kleine mit Vozu zu engen Kontakt gehabt hat, Brüderchen." „Quatsch", sagte ich.
„Warten wir es ab. Eines sage ich dir aber, Brüderchen. Auf Nelja werde ich jetzt ganz besonders aufpassen, und wenn sie sich irgendwie verdächtig benimmt, dann…" Er zeigte auf seine Pistole. „Da habe ich aber auch noch ein Wörtchen mitzureden, Kiwibin", sagte ich entschieden. „Wenn Nelja auch nur ein Haar gekrümmt wird, dann werde ich…"
„Halten Sie den Mund!" herrschte er mich an. „So nehmen Sie doch Vernunft an, Sie verliebter Unglücksrabe! Ich behaupte ja nicht, daß Nelja jetzt tatsächlich von Vozu besessen ist. Aber wir können es nicht ausschließen. Und wenn das zutrifft, dann schweben wir alle in Gefahr. Haben wir uns jetzt verstanden, Mister Flindt?"
„Verstanden", sagte ich mit zusammengebissenen Zähnen.
Nelja preßte ihre Hände gegen den Busen, der sich jetzt rascher hob und senkte. Ihre Wimpern zitterten leicht, und das Lächeln um ihre Lippen vertiefte sich. Sie kam mir wunderschön vor. Nie zuvor hatte ich eine schönere Frau gesehen. Eine heiße Welle der Zuneigung schien von mir auf sie überzuspringen.
Sie setzte sich auf und schlug die Augen auf. Ihr Blick war leer. Er war auf eine Felswand gerichtet. Ruckartig hob sie den Kopf und blickte in den Himmel, der jetzt kanariengelb war. Irgend etwas schien mit ihr tatsächlich nicht zu stimmen.
Ich trat einen Schritt zur Seite.
„Nelja", sagte ich laut. Doch sie blickte mich nicht an, sondern glotzte weiterhin wie eine Schwachsinnige in den Himmel. Ich folgte ihrem Blick, bemerkte aber nichts Besonderes. Ich gewann den Eindruck, sie lausche einer Stimme, die wir nicht hören konnten.
Kiwibin und ich wechselten einen betretenen Blick, und ich sah, daß sich seine Hand fester um den Knauf der Pistole schloß. Unwillkürlich packte ich auch meine Pistole fester. Sollte Kiwibin seine Waffe heben und auf Nelja zielen, dann würde ich ihn erschießen.
Nelja stand auf, blickte einen der Agenten an, wandte rasch den Kopf zur Seite und fixierte eine Felswand, an der ich auch nichts Besonderes entdecken konnte.
Ihr Verhalten war seltsam. Mein Unbehagen wuchs.
Sie schien unsere Blicke nicht zu bemerken. Sie drehte sich um, blickte in das Tal und klopfte sich den Schnee von der Hose.
„Nelja!" schrie Kiwibin.
Unendlich langsam drehte sie sich um und blickte Kiwibin an. Ihre Zunge fuhr langsam über die Lippen, die wieder Farbe bekommen hatten. Sie blickte Kiwibin so an, als sehe sie ihn zum erstenmal in ihrem Leben. Dann sah sie mich an. Ihr Blick schien durch mich hindurchzugehen. Doch plötzlich lächelte sie, und für mich war es, als gehe die Sonne auf.
„Abi!" rief sie, und alle Freude dieser Welt schien in diesem Wort mitzuschwingen.
Sie warf sich in meine Arme, klammerte sich an mir fest, und ihre gespitzten Lippen drückten einen Kuß nach dem anderen auf meine Wangen, meinen Mund und meine Stirn.
Um es ehrlich zu sagen, ich war über diese Gefühlsaufwallung ziemlich überrascht. Eine Weile stand ich da, als habe ich einen Stock verschluckt.
Doch dann schlang ich meine Arme um sie, zog sie an mich und drückte ihr einen zärtlichen Kuß auf die Lippen. Eine spitze hungrige Zunge bohrte sich zwischen meine Lippen. Ich schloß die Augen und fühlte mich wie im siebten Himmel.
„Auseinander!" Kiwibins Donnerstimme riß mich in die Wirklichkeit zurück.
Widerstrebend ließ ich Nelja los, die mit geröteten Wangen und schweratmend vor mir stand und mich nicht aus den Augen ließ.
„Kinder, wir sind hinter einem Dämon her, der uns allen an den Kragen will", sagte Kiwibin. „Was war mit Ihnen los, Nelja?"
Nelja räusperte sich. „Es war entsetzlich", hauchte sie mit versagender Stimme. „Vozu war in einer grauenvollen Falle gefangen. Ich spürte deutlich seine unmenschlichen Gedanken, als er sich daraus befreien wollte. Ich brach zusammen. An mehr kann ich mich nicht erinnern."
„Gelang dem Scheusal die Flucht?" „Ja, sie gelang ihm."
„Hm. dann wird er wahrscheinlich auf dem Weg zu uns sein. Wir müssen vorsichtig sein."
Ich musterte Nelja noch immer. Sie schien wieder ganz normal zu sein. Sie hakte sich bei mir ein, als wir weitergingen.
Doch Kiwibins Mißtrauen war noch nicht geschwunden.
Wir blieben stehen, als weit vor uns eine Explosion ertönte. 'Schnee und Staub stiegen zum Himmel. „Was ist da los?" fragte Kiwibin.
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