1212 - Niemand hört die Schreie
trinken wollte. Oder liege ich da falsch?«
»Darüber habe ich mit Louise nicht gesprochen. Sie hat ja nur bei mir gewohnt.«
»Wer hat sie zu Ihnen gebracht?« Ich sah sie scharf an.
Betty Florman senkte den Kopf. Ich hatte noch mitbekommen, wie sie die Lippen zusammenpresste.
»Bitte, Sie müssen mich verstehen, Mrs. Florman. Auch wenn Sie jetzt reden, Sie sind alles, nur keine Verräterin. Machen Sie sich das einfach klar. Sie können Menschen unter Umständen helfen, ihr Leben zu behalten. Daran müssen Sie auch denken. Die Vampire brauchen Blut, das Blut der Menschen, und ich glaube daran, dass die Personen, die sich in der Nacht treffen, keine Hexen sind, sondern normale Menschen, die sich nur an den alten Zauber und die alten Rituale erinnert haben. Wenn aber plötzlich Vampire erscheinen, wird das Chaos groß werden, dann gerät der Brauch außer Kontrolle. Außerdem glaube ich nicht, dass wir es nur mit einer Vampirin zu tun haben. Ich gehe schon davon aus, dass es noch mehrere gibt, die ebenfalls versteckt leben und nun zum großen Finale erst freigelassen werden. Wer hat mit Ihnen Kontakt aufgenommen? Wem haben Sie den Gefallen getan?«
Sie saß auf dem Platz, ohne sich zu bewegen. Aus Betty Florman war eine Statue geworden. Sie schaute nach vorn, aber sie blickte mich nicht an, sondern an mir vorbei, um ein anderes Ziel ins Auge zu fassen.
Da ich schräg saß, musste ich nur den Kopf etwas drehen, um es ebenfalls zu sehen.
Mein Blick streifte über die Kommode mit den Bildern. Ich erinnerte mich sofort an das in einem Rahmen steckende kleine Gemälde, es war einfach zu auffallend gewesen, und ich setzte meinen Gedanken sofort in die Tat um.
Mrs. Florman stellte keine Frage, als ich aufstand und auf die Kommode zuging. Mit einem Griff hatte ich das kleine Gemälde gepackt, drehte mich wieder um und hielt es der Frau entgegen.
»Okay, ist sie das?«
Betty sagte nichts. Ich hatte trotzdem ins Schwarze getroffen, das sagte mir ihre Reaktion. Sie rollte mit den Augen, um danach mit den Schultern zu zucken.
»Sie ist es!« Ich hatte den Satz hart ausgesprochen, wie jemand, der keinen Widerspruch duldet.
»Ja, das ist sie!«
»Sehr gut.« Ich setzte mich wieder und stellte das Bild zw ischen uns auf den Tisch. »Dann darf ich fragen, wen dieses Bild darstellt. Ich gebe zu, es ist eine ungewöhnliche Frau. Sehr hübsch, sehr blond, aber man darf sich davon nicht täuschen lassen. Manchmal können diese Frauen auch verdammt gefährlich sein.«
»Nein, Mr. Sinclair, sie ist wunderbar.«
»Okay, einverstanden. Hat diese Wunderbare denn auch einen Namen?«
»Ich kenne ihn.«
»Dann sagen Sie ihn mir!«
»Nein, ich…«
Unter meinem Blick verstummte sie. Ich brauchte nichts zu sagen, sie wusste auch so, welches Schicksal ihr blühte, wenn sie nicht redete. »Es ist in Ihrem Interesse«, fügte ich noch hinzu.
»Also gut«, flüsterte sie schließlich, »ich will es Ihnen sagen. Diese wunderbare Frau heißt Justine«, sie räusperte sich und sprach danach weiter. »Justine Cavallo.«
Ich schwieg. Der Name ging mir mehrmals durch den Kopf.
Ich sprach ihn auch im Geiste vor mich hin, aber ich konnte es drehen und wenden, ich hatte ihn nie zuvor gehört. Er war mir fremd. Dabei fiel mir auf, dass mich Betty Florman beobachtete, und sie schien erleichtert zu sein, bei mir keine Reaktion zu erleben.
Als ich nickte, sagte sie: »Jetzt wissen Sie alles.«
»Fast«, korrigierte ich sie. »Noch haben Sie mir nicht gesagt, wie Sie mit Ihnen Kontakt aufgenommen hat.«
»Es war Zufall.«
»Das glauben Sie.«
»Es ist mir auch egal!«, fuhr sie mich an. »Ich sehe es jedenfalls als einen Zufall an. Wir trafen uns auf einem meiner Spaziergänge. Sie saß im Park auf der Bank und genoss das letzte Tageslicht. Wir kamen ins Gespräch, und ich war von Justine sofort fasziniert. Sie war so, wie ich mein Leben lang gern gewesen wäre, was leider nicht möglich gewesen ist, weil es in anderen Bahnen verlief. Aber ich mochte sie. Ich liebte sie sogar. Als sie mich darum bat, ihr einen Gefallen zu tun, da habe ich nicht nein gesagt.«
»Sie ließen Louise bei sich wohnen.«
»Genau so war es.«
»Obwohl man Ihnen eine Blutsaugerin unterjubelte.«
»Hören Sie damit auf, so von ihr zu reden. Sie war ebenfalls faszinierend, das können Sie mir glauben. Ich war von ihr begeistert, und sie tat mir auch nichts. Sie faszinierte mich. Alles war faszinierend, was mit Justine in einem Zusammenhang stand. Für mich war
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