1212 - Niemand hört die Schreie
fügte hinzu, dass er dies als verdammt schlechtes Omen ansah.
»Wir werden bald mehr wissen«, sagte ich und setzte mich jetzt hinter das Steuer.
Das geschwärzte Skelett ließen wir liegen. So wie dieser Vampir jetzt aussah, wäre er nicht mal eine Beute für die Geier gewesen…
***
Wir fanden den Pfad wieder. Er wurde auch besser, denn schon vor uns hatten zahlreiche Fahrzeuge diesen Weg genommen und entsprechende Abdrücke hinterlassen.
Wir fuhren mit unserem Rover durch ein weites Tal, durch das sich auch ein Bach schlängelte, den wir als Wegweiser benutzten, denn er plätscherte dorthin, wo sich plötzlich mehrere Gebäude abzeichneten.
Das waren keine normalen Häuser. Sie alle besaßen die Form von recht niedrigen Scheunen und waren von der reinen Natur umgeben, die sich hier als ein wilder Garten präsentierte.
Die Farm war nicht menschenleer. Einige Fahrzeuge standen etwas außerhalb. Geländewagen oder Pickups. Beim Näherkommen fiel uns ein Gebäude aus roten Ziegelsteinen auf. Es war wohl so etwas wie das Haupthaus. Davor standen Tische und Stühle, die von Frauen besetzt waren.
An der linken Seite war auch der große Holzstoß zu sehen. Er war fachmännisch errichtet worden und besaß die Form einer Pyramide. So würden die Flammen von unten nach oben brennen und irgendwann den Holzstoß zum Einsturz bringen.
Wir stellten unseren Rover nahe der anderen Fahrzeuge ab und stiegen aus. Die Stimmen der versammelten Frauen erreichten unsere Ohren, aber die Menschen wurden still, als wir auf ihre Tische zugingen. Zehn Personen zählte ich. Sie hatten sich oder ihre Stühle gedreht, um uns anschauen zu können. In der breiten offenen Tür des Hauses stand eine weitere Frau, die in der rechten Hand eine große Metallkanne hielt. Dass sie sich vor einem Vampir ängstigten, war ihnen beim besten Willen nicht anzusehen.
Wir wurden schweigend und nicht eben freundlich empfangen. Mit langsamen Schritten näherten wir uns. Noch waren die Gesichter der versammelten Frauen für uns nicht genau zu erkennen. Allerdings spürten wir die Feindseligkeit, die uns entgegenstrahlte.
Eine Frau erhob sich von ihrem Platz. Sie trug einen dunklen Mantel, der offen stand. Darunter eine weiße Bluse und eine enge schwarze Hose. Die langen Haare der Frau schaukelten, als sie uns entgegenging. Sie waren graubraun, allerdings wohl gefärbt, denn so alt sah mir die Frau nicht aus. Mitte Dreißig vielleicht. Ein herbes Gesicht, in dem mir die Sommersprossen und die schmalen Lippen auffielen. In ihrem langen Mantel sah sie fast aus wie ein Soldat.
»Was wollen Sie?«
Das war keine Begrüßung, über die man sich freuen konnte, und ich fragte: »Sind Sie immer so freundlich, Madam?«
Sie schüttelte verärgert den Kopf. »Das hier ist ein privates Grundstück. Sie haben hier nichts verloren, und wir wollen auch keine Zuschauer.«
»Wobei denn?«
»Sind Sie von der Presse? Wollen Sie mal wieder über die ach so schrecklichen Hexen schreiben?«
»Nein, nein, kein Sorge. Mein Name ist John Sinclair. Das ist mein Freund Suko.«
»Na und?«
»Haben Sie auch einen Namen?«
»Ja. Brenda Roderick. Da jetzt genug Höflichkeiten ausgetauscht worden sind, können wir ja endlich zur Sache kommen. Ich rede auch im Namen meiner Freundinnen und möchte, dass Sie beide auf der Stelle das Grundstück verlassen.«
»Kann ich mir denken, dass Sie das sagen, wenn Sie etwas zu verbergen haben.«
»Das haben wir nicht. Außerdem sind wir Ihnen keine Rechenschaft schuldig. Wir wollen nur unter uns bleiben. Verstehen Sie das nicht? Es sind unsere Häuser. Es ist unser Treffpunkt. Wir haben ihn uns ausgesucht, weil wir hier unter uns bleiben wollen. Ist das denn zu viel verlangt?«
»Im Prinzip nicht«, sagte Suko. »Aber auch wir sind nicht zum Spaß hergekommen.«
»Kann ich mir kaum vorstellen«, erwiderte Brenda Roderick und verzog den Mund.
Suko ließ sich nicht beirren und sagte: »Wir suchen jemand.«
»Bestimmt nicht hier.«
»Das wird sich noch herausstellen. Sagt Ihnen der Name Justine Cavallo etwas?«
Brenda Roderick gab sich Mühe. Sie überlegte tatsächlich und schüttelte nach einer Weile den Kopf. »Nein, den Namen habe ich noch nie gehört.«
»Und Ihre Freundinnen?«
»Die auch nicht.«
»Sie wollen Sie nicht erst fragen?«
»Das brauche ich nicht. Eine Justine Cavallo gehört nicht zu uns. Merken Sie sich das.«
Das wies wieder auf einen Rausschmiss hin, aber ich gab nicht auf, und erkundigte mich nach einem
Weitere Kostenlose Bücher