1216 - Kreislauf des Bösen
Narbe meldete sich wieder. »John Sinclair wird doch gegen Vampire…«
»Pardon, wenn ich dich unterbreche, Daniel«, sagte der Abbé, »aber vielleicht hast du vergessen, dass er sich waffenlos in dieser dunklen Welt aufhält. Genau das ist sein Problem. Wie ich hörte, hat Mallmann ihn einer Frau überlassen, die Justine heißt und ebenfalls eine Blutsaugerin ist. Es braucht nicht viel Fantasie, um sich vorstellen zu können, was sie mit ihm treiben wird.«
Daniel stützte sein Kinn gegen den rechten Handballen.
»Bietet uns der Würfel eine Chance?«
Bloch überlegte und senkte den Blick. »Ich glaube es nicht. Der Würfel kann uns nur etwas zeigen oder nur auf etwas hinweisen, aber er schafft es nicht, direkt einzugreifen. Durch ihn wussten wir schließlich, was passieren würde, ohne dabei Einzelheiten zu kennen. Die sind uns erst jetzt bekannt geworden.«
»Aber Suko ist nicht außer Gefecht gesetzt worden«, teilte de Salier der Runde mit.
»Trotzdem kann er John nicht helfen.«
Nach dieser Antwort des Abbés breitete sich wieder das Schweigen aus. Es wurde nur von dem Geräusch des fließenden Wassers unterbrochen, das einer der Männer in ein Glas einschenkte. Keiner der Anwesenden war in der Lage, einen Ratschlag zu geben, auch der Abbé quälte sich mit seinen Gedanken herum. Dabei wäre es an der Zeit gewesen, einen Schlachtplan gegen van Akkeren und auch Baphomet zu entwickeln, doch dazu war keiner der Templer in der Lage. Sie wussten keine Möglichkeit, wie sie etwas ändern konnten.
Schließlich holte Bloch tief Luft. Es hörte sich so endgültig an. »Ich denke, dass wir uns zurückziehen. Ich weiß auch, dass jeder von euch nachdenken wird, und darum möchte ich euch bitten. Auch ich möchte jetzt allein bleiben. Ich werde mich in mein Zimmer zurückziehen und nachdenken. Ob ich eine Lösung finden werde, weiß ich nicht. Ich bezweifle auch, dass mir der Würfel hilft oder der Knochensessel. Das bleibt abzuwarten, obwohl ich denke, dass der Sessel für Baphomet eine ideale Beute sein würde. Dazu musste er allerdings erst seinen Diener van Akkeren schicken.«
Bloch winkte ab.
»Es sind alles Gedankenspiele, keine Wahrheiten, aber mit irgendetwas muss ich mich beschäftigen, um nicht zu resignieren.«
»Ich begleite dich«, sagte de Salier.
»Danke, Godwin.«
Beide Templer verließen ohne ein weiteres Wort den Speisesaal. Sie wirkten nicht eben wie Sieger, denn sie hielten die Köpfe gesenkt. Auch ein Zeichen, mit welch trüben Vorstellungen und Gedanken sie sich beschäftigten.
Auf dem Weg zu seinem Zimmer musste sich der Abbé bei dem jüngeren Mann stützen. Er sprach die Worte leise, als fielen sie ihm schwer. »Manchmal frage ich mich, Godwin, ob ich für diese Aufgabe nicht schon zu alt bin.«
»Unsinn, Abbé.«
»Doch, doch, ich weiß es. Ein Mensch spürt, wann er abgeben muss. Meine Zeit ist so gut wie da.«
De Salier antwortete noch nicht. Erst als sie vor der Tür zu Blochs Zimmer standen, fragte er: »Und was geschieht dann mit dir?«
Bloch lächelte verloren. »Ich werde mich auf mein Altenteil zurückziehen.«
»Nein«, flüsterte de Salier scharf. »Das glaubst du doch selbst nicht. Das ist für mich zudem unvorstellbar. Du bist jemand, der eine Aufgabe haben muss. Wenn nicht, ist das der Anfang vom Ende. Tut mir Leid, aber so denke ich.«
»Warte es ab.«
»Und wer soll deine Nachfolge antreten?«, erkundigte sich Godwin.
»Schau in den Spiegel, dann weißt du es.«
De Salier sagte nichts mehr. Er öffnete dem Abbé die Tür und ließ ihn als Ersten eintreten…
***
Suko sah Mallmann, Mallmann sah ihn, und der Inspektor war im ersten Augenblick erleichtert, dass John nicht als Vampir neben dieser Horror-Gestalt stand. Er traute Dracula II alles zu. Besonders in einer Lage wie dieser, in der der Super-Vampir all seine Trümpfe offen ausspielte. Auch jetzt hatte er seine Pose angenommen, und es war die Pose des Siegers, eines Wesens, das sich seines Triumphes durchaus sicher war.
Mallmanns dunkle Gestalt hob sich vom Dach ab. Der Hintergrund, er wurde von einem düstergrau schraffierten Himmel gebildet, passte zu seinem Erscheinen. Die Flugvampire hielten sich in der Nähe auf, griffen aber nicht an.
Suko, der vor dem Rest House stand, kam sich im Vergleich zu Mallmann recht klein vor. Er musste zu Mallmann hochschauen, wenn er ihn ansehen wollte, und das war genau gewollt.
Da Mallmann nichts sagte, übernahm Suko das Wort. Es fiel auch ihm nicht leicht, die
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