1216 - Kreislauf des Bösen
Kraft genommen.«
De Salier nickte. »Ich weiß es, und es tut mir auch Leid. Aber wir müssen versuchen, ihm seine Kraft zurückzugeben.«
»Das dachte ich auch.«
»Und weiter?«
Der Abbé zuckte mit den Schultern. »Es geht nicht«, erwiderte er mit leiser Stimme. »Es ist nicht möglich. Er wird sich sperren, so lange er sich unter dem Einfluss des anderen befindet. Ich gehe davon aus, dass sich dieser Einfluss verstärken wird und uns bald erreicht.«
»Meinst du van Akkeren?«
»Wen sonst, Godwin? Er wird kommen. Ich weiß nicht, ob er allein kommt oder bereits seine Schergen zusammengetrommelt hat. Aber er wird sich nicht aufhalten lassen. Er muss es tun. Er braucht freie Bahn. Wir sind seine Feinde, und wir tragen einen Teil der Schuld daran, dass er so lange in einer Hölle hat aushalten müssen. Jetzt ist er frei und besitzt zudem einen mächtigen Verbündeten…« Der Abbé legte Godwin eine Hand auf die Schulter. »Wir müssen davon ausgehen, dass uns schwere Zeiten bevorstehen und sie bereits angebrochen sind. Würdest du mich direkt fragen, so würde ich dir antworten, dass die vor uns liegende Nacht die entscheidende wird…«
Die Worte klangen aus, und erst dann gab de Salier eine Antwort. »Wenn das so ist, werden wir uns darauf einrichten.«
»Ja, das ist gut.« Der Abbé schaute durch das Fenster in die untergehende Sonne, die den Himmel im Westen zu einem glühenden Ofen gemacht hatte. »Ich denke, dass es nur eine Möglichkeit gibt, um van Akkeren lahm zu legen.«
»Welche?«
»Bis auf mich verlassen alle das Kloster. So wird van Akkerens Schlag nur einen treffen. Vielleicht gibt er sich damit vorläufig zufrieden.«
Godwin de Salier glaubte, sich verhört zu haben. Diese Worte aus dem Munde des Templer-Führers konnte er nicht fassen. Es kam ihm vor, als wären sie ihm gegen die Stirn geschlagen worden. Heftig schüttelte er den Kopf. Dann sagte er: »Du hast mich zu deinem Nachfolger bestimmt, Abbé, ist das richtig?«
»Ja!«
»Und als dein Nachfolger übernehme ich jetzt die erste Aufgabe. Wir werden das Kloster nicht räumen. Wir bleiben und werden uns dem Grusel-Star stellen.«
Der Abbé schwieg. Für eine Weile schaute er in die Augen des anderen Mannes. Er sah den absoluten Willen darin, nicht aufzugeben, also hob er die Schultern.
»Gut, es ist ab nun dein Problem, und ich werde mich zurückziehen und beten…«
De Salier schüttelte den Kopf. Zu einer anderen Reaktion war er nicht mehr fähig. Doch auch er spürte, dass die tödliche Gefahr auf der Lauer lag…
***
Ich sah den nackten Körper der Justine Cavallo vor mir.
An den Seiten berührten mich ihre Beine. Das kurze Intermezzo durch Mallmanns Erscheinen hatte sie nicht von ihrem eigentlichen Vorhaben abhalten können.
Sie war verrückt nach meinem Blut. Ich sah es in ihren Augen. Ich spürte es in jeder Faser ihres zittrigen nackten Körpers, und ich war noch immer hilflos.
Die Arme hochgerissen, die Handgelenke in den Schlaufen, so hing ich in dieser verdammten Lage fest und sah keine Chance, mich zu befreien.
Was Justine tat, das machte sie perfekt, und ihr Biss würde mich voll erwischen.
Noch wartete sie ab. Sie ließ mich zappeln. Ich sollte noch länger von meinem gewohnten Leben Abschied nehmen, und ich musste zugeben, dass mir erst jetzt die gesamte Tragweite so richtig zu Bewusstsein kam.
Ich war nicht mehr in der Lage, mich zu wehren. Es hätte auch keinen Sinn gehabt, es mit dem Körper oder mit den Beinen zu versuchen, denn sie war einfach zu stark, wie sie mir schon einige Male bewiesen hatte, als ich zu einem Spielball geworden war.
Justine bewegte ihren Oberkörper. Sie brachte ihn und damit ihr Gesicht noch näher an mich heran. Momentan hielt sie die Lippen geschlossen, aber dann, als sie den Körper tiefer beugte und den Rücken durchdrückte, öffnete sie den Mund.
Mir stand der Schweiß so dick auf der Stirn, dass ich ihn dort beinahe wie ein Gewicht spürte. Mein Herz schlug noch, aber es trommelte.
Ich hatte den Eindruck, als wollte es mir in den letzten Sekunden meines normalen Daseins noch einmal beweisen, wie stark es eigentlich war und was ich damit aufgab.
Verdammt noch mal! Gab es denn keinen Ausweg aus dieser Klemme?
Nein, ich sah keinen.
Nicht ohne fremde Hilfe.
Und die war weit, sehr weit entfernt.
Es hatte genug Gelegenheiten gegeben, bei denen Suko und ich uns gegenseitig das Leben gerettet oder uns aus unsäglichen Situationen herausgeholt hatten. In diesem Fall
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