1217 - Todfeind der Templer
drang.
Ich zog die Hand zurück, krümmte den Zeigefinger und klopfte gegen die Wand. Das dabei entstehende Geräusch hörte sich seltsam an. Dumpf, als wäre die Wand gefüllt, aber zugleich auch hohl mit einem leichten Nachhall.
Ich runzelte die Stirn und wandte mich dabei an Nora Thorn.
»Sagt dir dieses Geräusch etwas?«
»Nur so viel, dass wir es hier nicht mit einem normalen Spiegel zu tun haben.« Sie bückte sich etwas und legte ihren Kopf schräg, sodass sie waagerecht an der Fläche entlangschauen konnte. Den Kommentar gab sie mit leiser Stimme.
»Sie ist auch nicht glatt, John, sondern leicht wolkig. Allerdings nur zu sehen und nicht zu spüren. Ich kann dir beim besten Willen nicht sagen, was ich davon halten soll. Vielleicht wird sie es uns irgendwann mal selbst erläutern.«
»Da hätten dir die Außerirdischen ruhig mehr beibringen können«, erwiderte ich ungehalten.
»Bitte, John…«
»Sorry, aber manchmal brennen auch bei mir die Sicherungen durch. In diesem verdammten Fall habe ich bisher nur etwas auf die Mütze bekommen, und das regt mich einfach auf.«
Nora trat wieder zurück. Ihr Blick schweifte über die Spiege lfläche hinweg. »Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass sie nur von einer Seite durchlässig ist. Es muss noch einen anderen Einstieg geben, denke ich mir. Aber dazu müsste man so etwas wie einen Schlüssel besitzen, und den haben wir nicht.«
»Oder Mallmann.«
»Vergiss unsere Freundin Justine nicht.«
»Klar, ich…«
Wir hörten beide das hässliche Lachen hinter uns. Es lachte eine Frau, und wir wussten, wer da gekommen war.
Vampire besitzen kein Spiegelbild. Sonst hätten wir sie in der Wand gesehen.
So aber fuhren wir zur gleichen Zeit herum, sahen sie in der offenen Tür stehen, und sie sah beileibe nicht aus wie eine Verliererin…
***
Justine war auch nicht mehr nackt. Sie hatte sich wieder dazu entschlossen, ihre rote Lederhose und auch die dunkle Jacke anzuziehen. Das blonde Haar sah in dieser grauen Dunkelheit fast wie kaltes Silber aus. Ihre Lippen zeigten ein Lächeln wie es höhnischer nicht sein konnte, und mit einer lässigen Bewegung hob sie die Schultern. »Man kann ja nicht immer gewinnen, auch wenn man denkt, man hätte es geschafft.« Sie betrat die Hütte. Dabei nickte sie gegen die Spiegelwand. »Euer Problem, nicht?«
»Das können wir nicht abstreiten«, gab ich zu.
Justine stemmte die Hände in die Seiten. »Manchmal können Türen auch verschlossen sein. Oder glaubt ihr, dass ein Entkommen aus dieser Welt so einfach ist?«
»Nein, wir hatten uns das auch nicht vorgstellt.« Ich grinste sie scharf an. »Aber ich sehe es als positiv an, dass du bei uns hier erschienen bist. Du wirst uns sicherlich dabei behilflich sein, das Tor zu öffnen.«
»Ohne Mallmann?«
»Hol ihn her.«
Sie lachte uns aus. »John, er ist nicht mehr hier. Wäre er das, hättet ihr wohl kaum fliehen können.«
»Was trieb ihn denn weg?«
Sie hob die Schultern. »Das kann ich euch sagen. Es gibt da kaum Probleme. Er hat versprochen, seinem neuen Freund Vincent van Akkeren behilflich zu sein. Und dieses Versprechen hat er eingehalten. Er ist zu ihm gegangen, um die ersten Zeichen zu setzen und van Akkeren den Weg frei zu machen.«
»Dann weißt du sicherlich, wo sich die beiden aufhalten?«
Ich hatte nur so dahin gefragt, doch dann war ich schon erstaunt, als ich eine Antwort bekam.
»Ja, Mallmann und van Akkeren haben sich ein besonderes Ziel ausgesucht, John. Ein Kloster.«
»Ach, das Rest House.«
»Nein, das ist vorbei. Dort gibt es nur noch Tote. Die Welt ist voll mit Klöstern. Eines davon liegt im Süden Frankreichs und ist so etwas wie eine Brutstätte für die Feinde des Vincent van Akkeren. Dort wird der Hebel angesetzt.«
Ich sagte nichts mehr, aber es ging mir schlagartig schlecht.
Justine brauchte nicht mehr zu sagen. Ich wusste genau, von welchem Kloster die Rede war. Es lag in Alet-les-Bains. Der Abt des Klosters, Abbé Bloch, zählte zu meinen besten Freunden und zugleich zu den Todfeinden des Vincent van Akkeren…
***
Was in den letzten Stunden auf Godwin de Salier eingestürmt war, das müsste der Templer zunächst einmal verkraften. Es war kein Angriff gewesen, dennoch fühlte er sich, als wäre er körperlich am Boden, denn was der Abbé ihm gesagt und wie er sich dabei verhalten hatte, war ihm völlig neu und auch fremd gewesen.
Er hatte den Anführer der Templer ausgelaugt, verzehrt, depressiv und ohne jegliche Perspektive
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