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1219 - Die Abrechnung

1219 - Die Abrechnung

Titel: 1219 - Die Abrechnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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hätte der Besucher genau diesen Zeitpunkt abgepasst, klopfte es. Auf meinen Ruf hin betrat Godwin de Salier das kleine Gästezimmer. Er nickte mir zu und fragte: »Darf ich mich setzen?«
    »Natürlich.« Ich schaute den jungen Mann mit den blonden Haaren und der sonnenbraunen Haut an. »Da brauchst du doch nicht zu fragen.«
    »Danke.«
    Es gab noch einen zweiten Stuhl, auf dem er seinen Platz fand. Er schlug die Beine locker übereinander, aber so locker wie er sich gab, war er nicht, denn seine Hände hatten sich ineinander verkrampft. Und auch der Blick zeigte eine gewisse Unruhe. Es war klar, dass es ihn drängte, mit mir zu reden.
    »Mit Sukos Ankunft ist alles klar?«, fragte er.
    »Ja, das geht in Ordnung. Da brauchst du dir keine Gedanken zu machen. Er muss auch nicht abgeholt werden. Er wird sich einen Leihwagen nehmen und pünktlich eintreffen.«
    »Dann wäre das ja erledigt.«
    Ich nickte ihm zu. »Und sonst?«
    Godwin lächelte gequält. »Was soll ich sagen?«
    »Die Wahrheit.«
    Er schaute an seinem grauen Hemd entlang. »Die Wahrheit ist immer wichtig, John, das weißt du. So denke auch ich. Aber manchmal habe ich Probleme damit. So wie jetzt.«
    »Ich höre.«
    »Danke, deshalb bin ich auch hier. Für mich ist es noch immer nicht fassbar, dass der Abbé tot ist. Ich kann mich mit dem Gedanken nicht anfreunden. Ich habe das Gefühl, ihn noch überall hier im Kloster zu sehen. Auf den Fluren, in den Zimmern, in jedem Winkel, in jeder Ecke. Du kannst mich für durchgedreht halten, aber das ist nun mal der Fall, und ich weiß nicht, ob ich der richtige Nachfolger für ihn bin, denn der Abbé hat die Messlatte sehr hoch gehängt.«
    »Das ist in der Tat der Fall«, sagte ich, »aber du darfst etwas nicht vergessen, Godwin. Bloch hat es nicht anders gewollt. Er hat dich zu seinem Nachfolger bestimmt. Mir kommt es so vor, als hätte er geahnt, dass er sterben muss.«
    »Genau das denke ich auch.«
    »Was ist dein Problem?«
    »Gute Frage. Ich fühle mich zu neu. Es gibt Templer, die länger hier sind als ich. Die auch älter sind und meiner Ansicht nach ältere Rechte haben.«
    »Das siehst du so. Der Abbé allerdings hatte eine andere Meinung. Willst du gegen seinen letzten Willen arbeiten?«
    »Nein, das möchte ich nicht. Aber mir fehlt die Sicherheit, andere Menschen zu führen. Du kannst auch sagen, dass ich mich nicht reif genug fühle. Es wäre nicht verkehrt.«
    Ich gestattete mir ein Lächeln. »Wächst nicht jeder Mensch mit seinen Aufgaben?«
    »O ja«, erwiderte de Salier leicht stöhnend. »Das sollte zumindest so sein. Ich allerdings fühle mich wie ein Wurm, der sich auf dem Boden krümmt und weiß, dass ein Schuh über ihm schwebt, um ihn zu zertreten.«
    »Nein, Godwin, so darfst du das nicht sehen. Du kannst dich nicht selbst in den Keller bringen.«
    »Es kam automatisch.«
    »Trotzdem. Du musst nach vorn schauen und in seinem Sinne weitermachen.«
    »Klar, ich habe es versprochen. Aber es wird mich trotzdem quälen.« Er räusperte sich. »Du kannst dir nicht vorstellen, welch eine Nacht ich hinter mir habe. Immer wieder kehrte die schreckliche Szene in Blochs Zimmer zurück. Ich habe alles eingesetzt, aber ich bin letztendlich zu schwach gewesen, um ihn retten zu können.«
    »Wie auch ich.«
    Er hob die Schultern. »Müssen wir uns jetzt beide als Versager fühlen, John?«
    »Nein, das glaube ich nicht. Es wäre auch schlecht, so zu denken. Versager sind wir nicht. Es waren eben die Umstände, die uns dazu gebracht haben. Man kann nicht immer alles optimal erleben und stets auf der Siegerstraße sein. Man muss lernen, auch Niederlagen einzustecken, die manchmal sehr schlimm sein können, das gebe ich ehrlich zu. In diesem Fall waren sie besonders schlimm.«
    Godwin de Salier lächelte brüchig vor sich hin. »Und du kannst es verkraften?«
    »Ich muss es tun. Ich habe es auch gelernt, denn ich bin nicht immer der Sieger gewesen. Dass ich noch am Leben bin, verdanke ich wirklich glücklichen Umständen. Das ist nicht übertrieben. Du weißt selbst, dass ich keine Waffen bei mir habe. Dann gegen die mächtigen Gegner anzutreten, ist fast das Gleiche, als würdest du einen Schneeball in die Hölle werfen und ihm raten, er soll überleben.«
    »Du hast überlebt.«
    »Durch Hilfe.«
    »Eben, John. Das ist mein Problem. Ich weiß nicht, ob mir jemand helfen wird. Ich stehe ziemlich auf verlorenem Posten und fürchte mich vor der Zukunft.«
    »Das ist verständlich. Trotzdem solltest du

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