1219 - Die Abrechnung
die Herausforderungen annehmen.«
Diesmal lächelte er normaler. »Ich wusste, dass du mir das sagen würdest. Es tut mir gut.«
»Das ist doch etwas.«
»Bitte.« Godwin winkte mit beiden Händen ab. »Ich sitze hier und rede nur von meinen Problemen, dabei bist du auch jemand, der sich damit herumquälen muss.«
»Ja, das stimmt. Auch ich habe keine ruhige Nacht hinter mir oder nur die Stunden, die uns geblieben sind. Aber ich bin auch ein Mensch, der durch seine Arbeit einfach gezwungen wird, immer nach vorn zu schauen. Ich würde mir gern diese Rückblicke leisten, auch deshalb, um etwas aufzuarbeiten, aber das ist nicht möglich. So habe ich mich eben daran gewöhnt, immer weiter zu gehen.«
»Das muss ich wohl auch.«
»Sicherlich. Nur hast du den Vorteil, dass du nicht so stark in der Tretmühle steckst wie ich. Es wird Probleme geben, das weiß jeder von uns. Aber bei dir werden sich die Probleme auf ein bestimmtes Gebiet beschränken, denke ich mal.«
»Meinst du?«
»Ja, wobei ich das nicht abwerten will. Aber bei Suko und mir kommt so vieles zusammen. Da kann ich die gesamte Bandbreite des Bösen nehmen, und nichts ist gelogen.«
Er blies die Luft durch die Nase aus. »Ich glaube nicht, dass die Zukunft gut aussieht.«
»Dann sorge dafür, dass es so sein wird. Du hast eine Mannschaft, auf die du dich verlassen kannst. Niemand hat gegen deine Nachfolge gesprochen. Das sollte dir schon zu denken geben. Schau nach vorn und nicht zurück. Ist zwar banal gesagt, trifft allerdings den Kern.«
»Danke, John.«
»Wofür?«
»Dafür, dass du mich aufgerichtet hast. Ich war verdammt deprimiert. Jetzt geht es mir etwas besser. Ich weiß nur noch nicht genau, wie ich den Tag herumkriegen soll. Ich komme mir immer mehr vor wie ein Fremder, der durch das Kloster läuft. Und es geht nicht mir allein so. Ich habe mit den anderen gesprochen. Auch sie haben das Gefühl, Schaum im Kopf zu haben, der ihnen das Denken so verdammt schwer macht.«
»Ist völlig verständlich.« Ich hob die Arme und ließ die Hände auf meine Oberschenkel klatschen.
De Salier nickte. Sein Blick kam mir ein wenig unstet vor, als er mich anschaute und dann zur Seite sah. Auf mich machte er den Eindruck eines Menschen, der etwas auf dem Herzen hat, sich aber nicht traut, darüber zu sprechen.
Deshalb fragte ich ihn direkt. »Was bedrückt dich, Godwin?«
»Ach. Sieht man das?«
»Es ist nicht zu übersehen.«
Er strich an seinem Gesicht entlang.
»Du hast Recht, John. Ich schleppe tatsächlich ein Problem mit mir herum.«
»Raus damit!«
De Salier suchte noch nach den passenden Worten und hüstelte gegen seine linke Faust. »Es ist so, John. Der Abbé ist tot, das will ich auch nicht mehr wiederholen. Ich weiß auch, was ich ihm alles zu verdanken habe, wie dir auch, aber ich fühle mich jetzt unwohl in meiner Haut, weil ich noch nicht richtig Abschied von ihm genommen habe. Verstehst du, was ich damit meine?«
Er schaute mich fast bittend an, doch ich konnte ihm nicht helfen, denn ich hatte ihn nicht begriffen. Genau das sagte ich ihm auch. »Momentan bin ich überfragt.«
»Pardon, ich habe mich dumm ausgedrückt. Natürlich muss ich zur Sache kommen. Es geht einfach darum, dass ich noch einmal zu ihm möchte. Dorthin, wo er aufgebahrt ist. In unserer Kapelle.«
»Das verstehe ich voll und ganz. Nur frage ich mich, wo das Problem liegt?«
»In mir selbst.«
»Und wie darf ich das…«
»Ja, ja, ich weiß. Es ist Unsinn, aber ich will ehrlich zu dir sein. Ich traue mich nicht allein in die Kapelle. Halte mich bitte nicht für einen Feigling oder ein Weichei, aber es ist so. Deshalb möchte ich dich fragen, ob du mich begleiten willst, sodass wir gemeinsam Abschied nehmen können.«
»Ach - so ist das. Ja, das ist klar.« Ich lächelte ihm aufmunternd zu. »Keine Sorge, Godwin. Ich bin natürlich dabei. Mir ist es ebenfalls ein Bedürfnis, mich auf diese Art und Weise von einem sehr guten Freund zu verabschieden.«
Es war zu sehen, wie de Salier aufatmete. Wäre es möglich gewesen, dann hätte ich auch den Stein poltern gehört, der ihm vom Herzen gefallen war.
»Wann möchtest du hin?«, fragte ich.
»So bald wie möglich.«
»Jetzt?«
»Ja.«
»Dann komm.«
Wir standen beide zur gleichen Zeit auf. Das Tablett ließ ich stehen, ich wollte es später holen. An der schmalen Tür legte mir Godwin noch eine Hand auf die Schulter.
»Nochmals, John, danke, dass du mich begleitest.«
»Hör auf. Du brauchst dich
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