1219 - Die Abrechnung
und er konnte nur staunen. Aber seine Reaktion hielt sich trotzdem in Grenzen, denn er wusste sehr genau, dass uns diese unheimlichen Dinge immer wieder passierten.
»Du bist sicher, dass es der Abbé gewesen ist?«
»Ja. Wer sonst? Natürlich hat er mit einer neutralen Stimme gesprochen, aber es gab einfach keine andere Möglichkeit, musst du wissen.«
»Klar, das verstehe ich.« Er nickte vor sich hin und strich danach über seine linke Wange. »Er hat euch damit etwas sagen wollen.«
»Warnen, Suko.«
»Vor wem?«
Ich verzog die Lippen. »Vor einer Gefahr. Mehr weiß ich auch nicht. Aber er konnte und wollte nicht konkret werden, und das ist eben das große Problem.«
Er stellte mir eine direkte Frage: »Bist du froh, wenn die Beerdigung vorbei ist?«
»Sieht man mir das an?«
»Ich denke schon.«
»Ja, ich bin verdammt froh, wenn ich alles hinter mich gebracht habe. Und ich hoffe, dass der Abbé wirklich seine letzte Ruhe finden wird.«
»Ja, das meine ich auch«, flüsterte er, lehnte sich zurück und fragte mit leiser Stimme: »Hast du dir schon Gedanken darüber gemacht, was passieren könnte?«
»Nein, Suko. Das ist unmöglich. Sollte van Akkeren tatsächlich einen Plan haben, dann ist seine verdammte Kreativität nahezu unerschöpflich. Um es allgemein auszudrücken: Wir müssen mit allem rechnen.«
»Mit einem Überfall.«
»Wenn du es so sehen willst. Ja, er ist hinterlistig, gnadenlos und gefährlich. Das kennen wir von früher.«
Suko räusperte sich. »Es sieht nicht gut aus, wenn ich ehrlich sein will.«
Ich hob die Schultern. »Ändern können wir nichts. Wir mü ssen alles auf uns zukommen lassen.« Ich schaute auf das Kreuz und auf die Beretta. Beide lagen noch vor mir auf dem Tisch.
»Aber jetzt habe ich meine Waffen wieder, und ich werde mir sie auch so leicht nicht mehr abnehmen lassen.«
»Das hoffe ich doch.« Suko blickte auf die Uhr, als ich das Kreuz umhängte und auch die Beretta wieder verschwinden ließ. »Wann soll die Zeremonie in der Kapelle denn beginnen?«
»Vielleicht in einer Stunde. Die Templer wollen warten, bis die Sonne tief gesunken ist. Wenn dann die Dämmerung anbricht, gehen wir hinaus in den Garten.«
»Ist das Grab bereits fertig?«
»Sicher. Willst du es sehen?«
»Gern.«
Wir standen auf. Ich warf noch einen Blick durch den Raum.
Zwar sah ich den Knochensessel, aber das Zimmer kam mir trotzdem so leer vor, obwohl wir beide uns darin aufhielten. Es fehlte eben jemand, und derjenige würde auch nicht mehr zurückkehren…
***
In einer Tüte hatte Sendrine Bloch noch ein Pfefferminzbonbon gefunden, das sie in den Mund steckte, als die Ortseinfahrt von Alet-les-Bains hinter ihr lag.
Die Gelassenheit der letzten Stunden war verschwunden.
Jetzt, vor dem Ziel, wusste sie schon, dass ihr etwas Entsche idendes bevorstand. Sie merkte auch, dass ihre Handflächen feucht geworden waren und das Herz schneller klopfte. Sie hatte keine Ahnung, wo das Kloster genau lag, doch sie hatte einen Mund, um zu fragen.
Als sie rechts heranfuhr und vor einer Eisdiele halten wollte, meldete sich ihr Handy. Sendrine stoppte den Wagen erst, dann meldete sie sich.
»Ich bin es.«
Ein kräftiger Schauer durchrann sie. Plötzlich tummelten sich in ihrem Bauch wieder die Schmetterlinge, denn van Akkerens Stimme hatte wieder diesen sicheren Klang, der ihr so gefiel.
Als Frau konnte man sich bei ihm geborgen fühlen. Dass er ihr ein Messer an die Kehle gesetzt hatte, war längst vergessen.
»Ja…«
»Wo bist du?«
»In Alet-les-Bains.«
»Sehr gut. Aber noch nicht im Kloster?«
»Nein.«
»Das dachte ich mir. Weißt du, wie du zu fahren hast?«
»Leider nicht. Ich wollte soeben fragen.«
»Nicht mehr nötig. Ich werde es dir erklären. Sag mir nur, wo du gerade stehst.«
Sendrine schaute sich um, entdeckte ein Straßenschild und gab den Namen durch.
»Ja, das ist gut. Du wirst kein Problem haben, das Kloster zu finden.«
Sie hörte genau zu, was ihr van Akkeren zu sagen hatte. Es war wirklich leicht, das Kloster zu erreichen, und sie bedankte sich für die Auskünfte.
Van Akkeren war noch nicht fertig. »Was ist mit der Bo mbe?«
»Liegt sicher in meiner Handtasche.«
»Ausgezeichnet. Man kann sich wirklich auf dich verlassen. Hätte ich von einer Bloch nicht gedacht.«
Sendrine wusste nicht, was sie dazu sagen sollte. Sie lächelte in sich hinein und bekam auch einen roten Kopf, weil dieses Lob sie verlegen machte. Sie sah wieder die Augen des Mannes vor
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