1223 - Ordobans Erbe
allein das Erbe des früheren Kommandanten antreten sollte. Es gab keinen Zweifel, daß er einen Teil dessen, was Ordoban einst ausmachte, inzwischen schon verkörperte.
Aber eben nur einen Teil...!
Nach Carfeschs Voraussage und den Worten, die Vishna gerade gebraucht hatte, stand andererseits außer Frage, daß Ordoban selbst erweckt werden sollte.
Vielleicht, dachte Nachor in plötzlicher Beklemmung, vielleicht handelte es sich dabei nicht einmal um einen Widerspruch.
„Wann ist der Prozeß abgeschlossen?" wollte er wissen.
„Du hast mich wohl falsch verstanden, Prinz. Ich sprach davon, wie es sein sollte. Drei Chronofossilien wurden bereits aktiviert. Ordobans Bewußtsein müßte längst so weit gestärkt sein, daß man Kontakt mit ihm aufnehmen kann. Offensichtlich ist dies aber nicht der Fall." Vishna fixierte den Armadaprinzen scharf und fügte hinzu: „Du verstehst, was ich meine?"
Nachor verstand es.
Die Zusammenführung der Bewußtseinssplitter, die Regenerierung der psionischen Kanäle, lief nicht so reibungslos ab, wie die Kosmokraten es sich vorgestellt hatten.
Ordoban blieb stumm.
„Deshalb haben wir die BASIS verlassen", sagte der Armadaprinz schwer. „Weil Ordoban noch schweigt..."
„Ganz recht. Wir müssen uns darüber im klaren sein, daß die Endlose Armada ohne ihn ihre letztendliche Bestimmung nicht wird erfüllen können. Wenn der Frostrubin an seinen Standort zurückkehrt und die Armada ihre Funktion als Wachflotte wieder übernimmt, ist seine Präsenz dringender nötig denn je. Taurec und ich rechnen mit einem Generalangriff der Mächte des Chaos, sobald es soweit ist; mit einem letzten, verzweifelten Versuch, die Reparatur des Moralischen Kodes zu verhindern. Nur Ordoban, der innerhalb der Armada im wahrsten Sinn des Wortes allgegenwärtig ist, kann die Riesenflotte so koordinieren, daß der Angriff zurückgeschlagen wird. Alles, was wir bis jetzt erlebt haben, wird dagegen der reinste Spaziergang sein."
Nachor blickte zu Boden.
„Und woran, glaubst du, liegt es, daß die Wiederherstellung der Psi-Verbindung nicht funktioniert?"
Vishna lachte auf.
„Manchmal", entgegnete sie spitz, „hast du eine lange Leitung, Prinz. Ich weiß nicht, woran es liegt. Wir sind unterwegs, um es herauszufinden und die Störung zu beheben.
Genauer gesagt: Du bist deswegen unterwegs."
„Aber..."
Nachor brachte seinen Einwand nicht zu Ende. Es hatte keinen Zweck, sich jetzt auf Diskussionen einzulassen. Konkrete Informationen, nötigenfalls auch Anweisungen, würde er nach bewährter Kosmokraten-Manier ohnehin erst dann bekommen, wenn Vishna es für geboten erachtete. Vorher durfte er rätseln, wie er die Störung der Psi-Regeneration beheben sollte.
Unwillkürlich dachte er an Saddreyu, den Buckligen. Von Beginn an Ordobans treuer Begleiter, hatte der Bucklige auch ihm, Nachor, wertvolle Hilfe geleistet. Immer wieder war er aus dem Nichts aufgetaucht - als Freund, Mahner oder Spötter - und hatte den Armadaprinzen dabei unterstützt, sein Erbe anzutreten.
Fast erwartete Nachor, ihn auch jetzt irgendwo entstehen zu sehen, sein hämisches Lachen und seine Ratschläge zu hören...
Diesmal jedoch ließ sich der Bucklige nicht blicken.
„Deine Arbeit beginnt, sobald die erste Überlichtetappe beendet ist", sagte Vishna und riß ihn aus seinen Überlegungen. „Wenn du dich ausreichend konzentrierst, wirst du die Mentaldepots wahrnehmen können. Das ist der erste Schritt. Danach sehen wir weiter."
Der Armadaprinz antwortete nicht. Noch wußte er nicht, wie das, was die Kosmokratin andeutete, funktionieren sollte. Er fühlte sich unwohl. Die Verantwortung, die auf ihm lastete, wog schwer.
*
Nachor-Ordoban - so nannten sie ihn, seit er im Lebensbrunnen einen Teil der Persönlichkeit des alten Armadakommandanten in sich aufgenommen hatte. Er selbst hatte sich nie dagegen gesträubt, in dieser Form angeredet zu werden.
Trotzdem empfand er den Namen mitunter geradezu als Anmaßung.
Denn sobald die Depots wieder Verbindung untereinander aufnahmen, würde die verbliebene Substanz des wahrhaftigen Ordoban zu neuer Existenz erwachen und sich ihrer selbst bewußt werden. Er, Nachor, hatte demnach kein Recht, diesen Namen zu führen. Er war der Sohn des großen Saddreykaren und dessen alleiniger Erbe - nicht weniger, aber auch nicht mehr.
An Ordobans Seite würde er agieren - nicht an Ordobans Statt.
Manchmal wußte er selbst nicht genau, wo er eigentlich stand, worin er seine
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