1225 - Die Reliquie
wird.«
»Ich habe keine Ahnung…«
»Das weiß ich. Und es ist auch gut so, Mrs. Long. Lassen Sie es sich gesagt sein. An gewissen Dingen soll man nicht rühren, finde ich.«
»Das tun Sie aber.«
»Richtig. Aber wir sind Fachleute und beschäftigen uns mit diesen Dingen.«
Sie nickte. »Wenn das so ist, kann ich wohl nichts dagegen sagen. Ich war ja nicht unten, aber ich nehme an, dass Sie auf dem Grund des Sees die Überreste finden werden. Bestimmt auch noch alte Gebeine, denn bei der Katastrophe sind auch Menschen ums Leben gekommen, aber was man da hätte finden können, das weiß ich auch nicht.« Sie räusperte sich.
»Nun ja, mein Problem ist es nicht. Da bin ich auch froh darüber, obwohl ich jetzt richtig neugierig geworden bin. Das war ich schon, als mein Gast noch hier weilte, doch ich habe mich nicht getraut, ihn nach seinen Motiven zu fragen. Er war zwar freundlich, aber auf eine bestimmte Art und Weise sehr distanziert.« Sie lächelte. »Egal, Sie beide werden das schon richten.«
»Das hoffen wir«, sagte Suko, während ich mich schon erhob und er mich anschaute.
»Wenn Sie gestatten, möchten wir uns das Zimmer Ihres Gastes anschauen. Sie haben da von Pressluftflaschen gesprochen, die er zurückgelassen hat.«
»Ja, und auch zwei lichtstarke Unterwasserlampen.«
»Sehr gut. Auch Taucheranzüge?«
»Nein, keinen Anzug. Er ist getaucht wie jemand, der diesen Sport zu seinem Hobby gemacht hat. Außerdem war es warm genug. Hier werden Sie keine Taucheranzüge kaufen können. Wenn sie hinunter wollen, dann eben ohne den Schutz.«
»Das befürchte ich auch«, gab ich zu.
»In Inverness bekommen Sie…«
»Nein, nein«, sagte Suko auch in meinem Sinne. »Das würde uns zu sehr aufhalten. Wir wollen alles so schnell wie möglich hinter uns bringen. Wer weiß, was noch passiert.«
»Das müssen Sie wissen.«
Wir verließen die Küche und stiegen über die schmale Treppe mit den hohen Holzstufen der ersten Etage entgegen, wo sich die Wärme gestaut hatte und so etwas wie eine zusätzliche Wand bildete, die uns allerdings nicht aufhielt.
Hier oben war der nette und gemütliche Teil des Hauses verschwunden. Wahrscheinlich hatten die Mittel zur Renovierung gefehlt, denn die Wände, einschließlich der Tapeten, befanden sich noch in ihrem Urzustand. Ich sah die feuchten Flecken wie zerlaufene Augen auf dem Material und das braune Holz der vier Türen, wobei sich jeweils zwei gegenüberlagen.
Tessa Long öffnete die erste Tür auf der linken Seite und trat als Erste ein.
Das Zimmer war klein. Nicht mehr als eine Bude. Uns fielen sofort die zwei Pressluftflaschen auf, die an der Wand lehnten und innerhalb der alten Einrichtung wie Fremdkörper wirkten.
Es gab das Bett, einen Tisch, einen kleinen Schrank und einen Stuhl, der so stand, dass die sitzende Person durch das Fenster schauen konnte. Suko öffnete die Schranktür. Er fand den Raum dahinter leer.
Ich kümmerte mich um die Pressluftflaschen. Meine Befürchtung stellte sich nicht ein. Sie waren nicht leer, aber auch nicht mehr sehr voll. Ich dachte darüber nach, ob wir sie überhaupt brauchten und kam zu dem Ergebnis, dass es besser war, sie umzuschnallen, denn wir wussten nicht, wie lange wir uns dort unten aufhalten mussten und was wir noch alles fanden.
Etwas anderes hatte Eric Tallier nicht hinterlassen, abgesehen von den Unterwasserlampen, die wir ebenfalls mitnahmen.
Tessa Long war an der Tür stehen geblieben und wunderte sich. Bis zu diesem Zeitpunkt schien sie noch an unserem Vorhaben gezweifelt zu haben, doch jetzt fragte sie: »Sie… Sie… wollen wirklich da hinunter?«
»Ja.«
»Nun ja, das ist Ihr Problem, MR. Sinclair.« Ein verlegenes Lächeln huschte um ihre Mundwinkel. »Ich weiß wirklich nicht, was ich dazu noch sagen soll. Bisher habe ich immer gedacht, das Alte und Versunkene ruhen zu lassen. Hier im Dorf spricht man kaum über die Kirche, das ist alles vergessen. Der Name…«, sie zuckte mit den Schultern, »nun ja, er ist schon etwas seltsam, doch darüber macht man sich in dieser Gegend keine Gedanken. Überhaupt lässt man den See links liegen, und das ist schon komisch. Selbst bei einem heißen Wetter wie wir es jetzt haben, traut sich niemand hinein, um zu baden.«
»Warum nicht?«
Tessa hob die Augenbrauen. »Den genauen Grund kann ich Ihnen nicht nennen, MR. Sinclair. Wahrscheinlich ist den Leuten der See zu unheimlich. Er ist voll mit dem grünen Wasser. Man kann nichts erkennen, und ein derartiges
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