1225 - Die Reliquie
nicht völlig finster, aber auf den Schein der Lampen verzichteten wir trotzdem nicht. Wir glitten voran und immer wieder über den feuchten Boden hinweg oder über die Wände mit ihren kleinen Fenstern.
Zugleich blieben wir stehen, weil wir etwas entdeckt hatten, das so etwas wie eine Spur zu den Knochen sein konnte. Dicht vor uns malten sich die Umrisse einer Luke, einer Klappe im Boden ab, deren Ränder deutlich zu erkennen waren, und zwar deshalb, weil sie vor kurzem angehoben worden sein musste.
Als Hilfsmittel diente ein leicht verrosteter Metallring, der in der Mitte der Luke angebracht worden war.
Die Luke oder der Einstieg war groß genug, dass auch wir hindurchpassten, aber daran dachte ich zumindest im Moment nicht, weil mich viel mehr die in die Oberfläche eingemeißelte Schrift interessierte, die gar nicht zu übersehen war, obwohl das Material im Laufe der Zeit schon ziemlich gelitten hatte.
Ich ging in die Knie, um die Schriftzeichen besser lesen zu können. Suko leuchtete ebenfalls, und er hörte auch zu, wie ich den Text vorlas.
»Wehe euch, denn dieses Haus ist von Gott verlassen worden und trieb zurück in den Tunnel der Finsternis…«
Ich richtete mich wieder auf und drehte mich meinem Freund zu. Suko hielt die Augen weit offen und die Stirn gerunzelt.
»Ist doch ganz einfach zu verstehen oder nicht?«
»Klar.«
»Und trotzdem haben wir Probleme.«
Er kannte mich gut genug, um zu wissen, dass ich es ebenso sah. Probleme gab es tatsächlich. Wenn Gott die Kirche hier verlassen hatte, wie konnte sie dann den Namen »Unserer reuigen Sünderin« tragen?
Auf diese Frage bekamen wir hier zumindest keine Antwort.
Wir würden sie vielleicht unter der Klappe finden.
Suko wischte sich einige Wassertropfen aus den Haaren, bevor er sich bückte und seine Hand dem alten Ring entgege nstreckte. Wir hatten erst gar nicht darüber diskutieren müssen, es gab nur diesen einen Weg, wenn wir fündig werden wollten.
Es war für Suko kein Problem, die steinerne Klappe anzuheben. Er musste zwar zwei Mal zerren, doch dann hatte er es geschafft. Zudem kam ich ihm zu Hilfe.
Gemeinsam zerrten wir die schwere Platte zur Seite und schauten dann nach unten in das finstere Loch.
Ein alter, fauliger Geruch wehte uns entgegen. Man konnte den Eindruck bekommen, dass sich hier einer der Eingänge befand, durch den man in die Hölle gelangte.
Nach der recht frischen Luft hier in der Kirche war das die reine Pestilenz, die uns entgegenschlug und auch einen Teil unseres Atems raubte, sodass wir zurückwichen.
Es gab auch etwas Positives. Aus der Tiefe wehte uns nicht der Verwesungsgeruch alter Leichen entgegen. Es war einfach nur die widerliche Fäulnis, die uns den Atem raubte.
Nach einigen Sekunden hatten wir uns daran gewöhnt und leuchteten in die Tiefe. Es war nicht viel zu sehen, aber die alte Steintreppe kam uns schon sehr gelegen. Sie war zwar sehr schmal, besaß auch kein Geländer, doch wir waren sicher, dass sie hielt, wenn wir nach unten gingen. Zudem waren wir bestimmt nicht die Ersten, die den Weg genommen hatten. Eric Tallier hätte uns sicherlich einiges über diesen Weg in die Tiefe erzählen können.
»Warum gibt es diesen Raum unter der normalen Kirche, John? War es ein Grab? War es ein Fluchtweg für Menschen, die sich von Feinden verfolgt fühlten?«
»Kann alles sein. Da brauche ich nur an die ersten Christen zu denken, die sich in den Katakomben eingeschlossen hatten, um ihren Verfolgern zu entgehen.«
»Okay, dann werden wir wohl das Geheimnis lüften können oder zumindest einen Teil davon. Ich möchte zu gern wissen, was das Wasser davon abgehalten hat, diese Kirche in Besitz zu nehmen. Da hat bestimmt keiner seine Arme gehoben und die Fluten gestoppt.«
Ich hoffte, dass der Zustand noch einige Zeit anhielt und der Wasserdruck die Mauern der kleinen Kirche zu keinem für uns ungünstigen Zeitpunkt einbrach.
Ich leuchtete noch einmal über die offene Einstiegsluke hinweg und tastete mit dem Lichtkegel die Wand ab. Es war wie bei den anderen Wänden. Auch hier hatte niemand Spuren hinterlassen. Es gab keine Fresken, keine in das Mauerwerk eingeritzte Texte. Nur die Feuchtigkeit und der Schimmel hatten Einzug gehalten.
Als ich meine Lampe wieder schwenkte, hatte sich Suko bereits bewegt und betrat mit ausgestrecktem Bein die erste alte Steinstufe. Er prüfte, ob sie sein Gewicht hielt, nickte zufrieden und machte sich dann auf den Weg in die Tiefe.
Ich wartete am Rand der Luke,
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