1226 - Das Versteck
permanenter Bewegung, als suchte sie nach irgendwelchen Feinden.
Die waren da, da biss keine Maus den Faden ab. Nur hatten sie sich zurückgezogen. Ich war davon überzeugt, dass sie uns aus ihren Häusern beobachteten und nur auf eine günstige Gelegenheit warteten, um zuschlagen zu können.
Mein innerer Zustand spiegelte sich auch auf meinem Gesicht wider. Es war nicht gut, wenn mich Jenny so sah. Mit einiger Mühe gelang es mir auch, zu lächeln, wobei ich hoffte, dass es ihr einen Teil der Angst nehmen würde.
»Ich heiße übrigens John Sinclair«, sagte ich.
Sie nickte nicht, sie gab auch sonst keine Antwort. Ich war nicht mal sicher, ob sie mich überhaupt gehört hatte, aber sie hatte Vertrauen zu Suko gefunden, denn sie lehnte sich an ihn.
Er war für sie jetzt die große Stütze.
»Wir gehen jetzt woanders hin, Jenny, okay?« Er hatte leise auf sie eingesprochen. Trotzdem zuckte sie zusammen und ballte die Hände zu Fäusten.
»Bitte, Jenny, du brauchst keine Angst zu haben, dass dir etwas geschieht. Wir sind jetzt bei dir. Wir beschützen dich. Niemand wird dir ein Leid antun.«
Zumindest hatte sie meinen Freund verstanden, denn sie deutete ein Nicken an.
Mich ignorierte sie, was ich nicht als tragisch empfand. Es würden sich noch Gelegenheiten ergeben, mit ihr zu sprechen.
Ich nahm noch zwei Dosen Wasser aus dem Wagen mit und schaute, bevor ich den beiden folgte, noch einmal in das Dorf hinein.
Es lag so still und auch abweisend vor mir, als hätte es sich in einen Friedhof verwandelt. Nichts war zu sehen und zu hören.
Eine andere Sphäre schien es unter sich begraben zu haben.
Aber trotz der unnatürlichen Ruhe lauerte dort die Gefahr, die von den Menschen ausging, deren Verhalten ich nicht begriff.
Jenny und Suko hatten den kleinen Graben bereits überquert und durchschritten die Wiese mit dem hohen Gras und den Kräutern, die hier wild wuchsen. Die Hütte stand nur ein paar Meter entfernt. Es war eine kleine Scheune oder etwas Ähnliches.
Aber ich übersprang den Graben, auf dessen schlammigem Grund das dunkle Wasser zu sehen war. Es strömte ein Gräsergeruch in meine Nase, der mir gefiel und irgendwie auch nach Urlaub roch. Da wollte man sich am liebsten auf die Wiese legen und den Himmel anschauen und den lieben Gott einen guten Mann sein lassen.
Genauso würde es nicht für uns laufen, denn wieder hatte uns das Schicksal einen Streich gespielt. Noch jetzt stieg Wut in mir hoch, wenn ich darüber nachdachte.
Ich hörte ein Geräusch, als wäre die kleine Scheune dabei, zusammenzubrechen, als Suko die Tür aufzog. Dort, wo er den Bau betrat, wuchs kein Gras mehr. Dafür war der Boden durch die Wärme trocken geworden, und bei jedem Schritt quoll etwas Staub hoch.
Sie verschwanden im Dunkeln. Bevor ich diese primitive Behausung betrat, warf ich einen letzten Blick zum Dorf zurück. Auch jetzt tat sich dort nichts, und auch außerhalb der kleinen Ortschaft sah ich keine Bewegung.
Suko hatte sich zu Jenny gesetzt. Beide hockten auf einer alten Bank, die mit der hinteren Seite gegen die Hüttenwand stieß, an die sich die beiden ebenfalls anlehnen konnten.
Allein Jennys Haltung bewies mir, dass sie sich fürchtete. Sie hatte die Beine angewinkelt und hoch an den Körper gezogen.
Der Saum des langen Leichenhemds hing bis hinab zu den Knöcheln. Sie zitterte wie jemand, der in einer Eishöhle steckt.
Ich ließ die Tür offen, damit Licht in die Scheune fiel. Jenny drehte mir ihr Gesicht zu. Ob sie vor mir oder meinem Schatten erschrak, wusste ich nicht, jedenfalls stieß sie einen leisen Schrei aus und klammerte sich an Suko fest.
Er sprach beruhigend auf sie ein, während ich mich daran machte, nach einer Sitzgelegenheit Ausschau zu halten.
Zwischen einer verrotteten Egge und alten Spaten stehend fand ich einen Schemel, der durch den Staub grau geworden war.
Drei Beine stützten die Sitzfläche ab, auf der ich mich niederließ. Ich saß jetzt vor den beiden so unterschiedlichen Menschen und versuchte es zunächst mit einem Lächeln, weil ich einfach wollte, dass Jenny auftaute.
Hin und wieder schaute sie mich an. Zuerst sehr scheu, dann wich die Angst etwas aus ihren Augen, was ich als einen ersten Erfolg für mich buchte.
Allerdings würde sie kaum mit mir sprechen wollten, deshalb wandte ich mich an Suko. »Weißt du inzwischen mehr über sie?«
»Ja, sie gehört nicht hierher.«
»Du meinst nicht in das Kaff hier.«
»Genau.«
»Und wo lebt sie?«
»Glasgow,
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