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1226 - Das Versteck

1226 - Das Versteck

Titel: 1226 - Das Versteck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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der Nähe des Sargs standen, ein leises Wimmern, begleitet von dumpf klingenden Geräuschen, die im Innern des Sargs entstanden waren.
    Ich konnte mir gut vorstellen, dass die Person in ihrer hünd ischen Angst gegen die Seitenwände und auch gegen das Oberteil des Sargs schlug.
    Auch die vier Sargträger waren geschockt. Noch standen sie unbeweglich und hielten die Totenkiste über dem Kopf. Das hielt jedoch nicht lange an, denn plötzlich erwischte sie ein Zittern, und sie schienen noch bleicher zu werden.
    Der Sarg schwankte. Mal nach rechts, dann nach links, denn die Männer schafften es nicht mehr, ihn waagerecht zu halten.
    »Vorsicht!«, rief ich.
    Es konnte sein, dass mein Ruf den endgültigen Anstoß gegeben hatte, denn plötzlich rutschte die Totenkiste genau zu unserer Seite hin weg, weil einer der Sargträger in die Knie gebrochen war.
    Es kam wie es kommen musste.
    Niemand hielt den Sarg auf oder fing ihn ab. Auch Suko und ich nicht, und so prallte er vor unserem Wagen mit großer Wucht zu Boden. Zu groß für die hastig zusammengenagelte Kiste, denn der Deckel löste sich. Er sprang in die Höhe, als hätte er von unten einen Stoß bekommen. Auch die Seiten brachen ein, dann aber kippte der Sarg zur Seite und damit uns entgegen.
    Uns stockte der Atem.
    Zusammengekrümmt wie ein Embryo im Mutterleib rollte eine junge, in ein Leichenhemd gekleidete Frau heraus und uns beinahe vor die Füße…
    ***
    Das war so etwas wie der zweite Höhepunkt in diesem makabren Spiel, dem niemand entwischen konnte. Wir hatten das Drehb uch nicht geschrieben, es war uns vom Schicksal aufgedrückt worden. In dieser einen und sehr langen folgenden Sekunde war uns klar, dass sich unser Weg nach Aberdeen verzögern würde, denn wo gab es das denn, dass Menschen einen Lebenden begraben wollten?
    Es war auf einmal totenstill. Niemand wagte es, auch nur einen Laut von sich zu geben. Jeder schaute auf den halb zerstörten Sarg und wartete wahrscheinlich darauf, dass sich die »Tote« erheben und schreiend davonlaufen würde. Den Gefallen tat sie den Leuten nicht. Die junge Frau blieb auf dem Boden liegen, und nur ihr heftiges Atmen war jetzt zu hören.
    Ich nahm mir die Zeit, sie genauer anzuschauen. Sie trug ein Leichenhemd, zumindest einen alten beigefarbenen Kittel. Das Haar war dunkelbraun. Das runde Gesicht war durch das erlebte Entsetzen gezeichnet, und die Augen standen weit offen, ohne jedoch etwas wahrzunehmen. Sie starrten nur ins Leere.
    Sie konnte nicht viel älter als zwanzig sein, und sie musste Schreckliches hinter sich haben, was wohl die Menschen hier zu verantworten hatten.
    Plötzlich erfasste mich ein wahnsinniger Zorn auf die Gruppe der Glotzer. Am liebsten hätte ich einen Knüppel genommen und auf sie eingeschlagen, denn es war noch immer für mich unvorstellbar, dass man einen Menschen begrub, der noch am Leben war.
    Warum?
    Ich hatte viel und auch die unmöglichsten Dinge erlebt, aber ich konnte mir kein Motiv vorstellen, das es erlaubte, einen lebendigen Menschen in die Grube zu lassen. Dafür gab es keins. Aber diese Menschen hier waren nicht davor zurückgeschreckt, es zu tun, und sie sagten nach wie vor kein Wort und schienen allesamt in ihrem eigenen Entsetzen erstarrt zu sein.
    Es war ihnen zusätzlich anzusehen, dass es ihnen peinlich war, von zwei Zeugen beobachtet zu werden, und uns war klar, dass wir so einfach nicht aus diesem Kaff herauskamen, dessen Namen wir nicht mal kannten. Wir hatten zwar das Ortsschild gesehen, aber keiner von uns hatte darauf besonders geachtet.
    Das Wimmern hörte nicht auf. Ich wollte nicht solange warten, bis sich die junge Frau wieder gefasst hatte und bewegte mich als Erster. Mein Ziel war der Zylinderträger, mit dem wir schon vorher geredet hatten.
    Wenn es ihm gelungen wäre, er wäre uns auch ausgewichen, aber hinter ihm befand sich der Straßengraben, und in den wollte er nicht gerade hineinfallen.
    »Erst dachte ich ja, dass es ein Irrtum ist«, flüsterte ich, »aber es war kein Irrtum. Ich habe gesehen, wie der Sarg aufprallte, wie er zerbrach und wie ein Mensch hervorrollte, der noch lebt. Der immer noch nicht tot ist, der aber bei lebendigem Leib in den Sarg gesteckt wurde, um so begraben zu werden.« Ich merkte, wie sich mein Zorn freie Bahn verschaffen musste, und meine Stimme nahm die entsprechende Lautstärke an. »Verdammt noch mal, kann mir einer von euch mal erklären, was das hier sollte?«
    Sie konnten es bestimmt, aber sie schwiegen. Es gab

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