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1227 - Verschollen im Mittelalter

1227 - Verschollen im Mittelalter

Titel: 1227 - Verschollen im Mittelalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pete Smith
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waren bis zum Ende eng beschrieben.
    »Sprich mit mir«, murmelte er. »Verrat mir dein Geheimnis!«

5
     
     
     
    Der Alte war verdächtig – so viel hatte er verstanden. Nur wessen man ihn verdächtigte, blieb im Dunkeln.
    Man hatte sie zusammen in einen Holzverschlag gesperrt. Es war keine Zelle, sondern ein Stall. Ein Pferch für Menschen, der noch nie ausgemistet worden war. Das spärliche Stroh auf dem lehmigen Boden war durchtränkt mit dem Blut und den Ausscheidungen jener, die hier ihr Leben gelassen hatten.
    Grobe Ritzen ließen gerade so viel Luft herein, um in dem Gestank nicht zu ersticken. Doch allzu weit durfte man sich den Wänden nicht nähern. Denn auf der anderen Seite wartete das Gesindel, das ihn und den Alten nicht nur anstarrte, sondern beschimpfte und bespuckte.
    Der Alte sah verwildert aus mit seinen langen, verfilzten Haaren, seinem zotteligen weißen Bart, seinen verkrusteten nackten Füßen und der verdreckten Leinenkutte, die in Fetzen von seinem knochigen Körper hing. Dabei verhielt er sich jedoch alles andere als wild. Güte sprach aus seinen Augen. Und Weisheit. Seine spärlichen Bewegungen drückten eine Ruhe aus, die auf ihn ausstrahlte. Den keifenden Mob bedachte er mit einem Lächeln. Und selbst für seine Peiniger fand er weder böse Worte, noch sandte er ihnen einen einzigen hasserfüllten Blick.
    Als sie kamen, stand er auf und trat ihnen entgegen – kein Knecht, der vor seinen Herren kuschte, vielmehr ein Mensch, dessen Stolz ungebrochen schien.
    Es waren vier: ein kleiner, feister Mönch in einer weißen, allzu sauberen Kutte; ein hagerer Kerl mit blonden, öligen Haaren, grauen Augen und einem versteinerten, knochigen Gesicht; und ihre beiden ungeschlachten Henkersknechte, deren Blicke so stumpf waren wie die Enden ihrer Keulen.
    Die Knechte zerrten den Alten hoch und schleppten ihn nach draußen.
    Sie ließen das Tor offen, auf dass er das Spektakel, das sie zu inszenieren gedachten, von seinem Gefängnis aus beobachte.
    Der Hagere stellte die Fragen: Ob der Alte endlich gestehe. Oder ob er der läuternden Wirkung einer Beichte die finstere Verdammnis vorziehe?
    Sein Gefangener blickte ihn erhobenen Hauptes an und erwiderte mit ruhiger, fester Stimme, dass es nichts zu gestehen gebe.
    Daraufhin wiederholte der Hagere seine Frage und forderte den Alten auf, niederzuknien und zu büßen.
    Der Alte blieb stehen. In all den Jahren, da er die Welt durchstreife, im Einklang mit Gott und dessen Schöpfung, habe er an jedem einzelnen Tag gebüßt, tat er kund. Doch nicht vor sündigen Menschen, sondern im Angesicht des Allmächtigen, dem allein er Rechenschaft ablege über sein Tun. Dabei fixierte er den Hageren mit einem Blick, unter dem sein Gegner zu schrumpfen schien.
    Plötzlich trat der Mönch vor und spuckte vor dem Alten aus. Ohne ein Wort zu sagen riss er ihm die Kleidung vom Leib und ließ ihn nackt vor dem feixenden Pöbel stehen. Und der Alte? Er lächelte. Blickte auf seinen Peiniger herab und lächelte. Die Menge verstummte. Es war, als hätte sich der Himmel aufgetan, um den Menschen einen Blick in die Seele der Welt zu gewähren.
    Der Augenblick dauerte kaum mehr als einige Sekunden. Und doch war es dieser Moment, der fortdauern sollte um alle folgenden zu überlagern.
    Der Mönch erbleichte unter dem Blick des Alten und machte seinem Knecht ein Zeichen. Dieser tauchte ab und hatte plötzlich einen glühenden Spieß in der Hand, den er seinem Herrn reichte.
    Der Mönch reckte den Spieß gegen den Himmel und erhob seine Stimme – es war die Stimme eines gekränkten Kindes: »Du Unwürdiger hast Gott gelästert«, quäkte er, »und daher sollst du Gottes Licht nie wieder erblicken!«
    Die Henkersknechte packten den Alten, zwangen ihn auf die Knie und drückten ihm den Kopf in den Nacken, sodass er gezwungen war, in die Sonne zu sehen. Der Mönch trat hinzu und murmelte ein Gebet. Dann hob er den Spieß und stach zweimal zu. Als er sich der Menge zuwandte, flammte Triumph in seinen Augen.
    In seinem Verschlag blieb ihm kein Detail dieser grauenvollen Szene erspart. Er spürte den Schmerz, den der Alte ertragen musste, wie seinen eigenen. Die gekränkte Seele des Mönchs, die kalte Verachtung des Hageren und die Gleichgültigkeit der Henkersknechte betrafen auch ihn, so empfand er es, selbst wenn sie in diesen Momenten dem Alten galten. Der Triumph jedoch, den der Inquisitor empfunden haben mochte, blieb ohne Widerhall. Er hatte nur scheinbar gesiegt. Der Alte war,

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