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1227 - Verschollen im Mittelalter

1227 - Verschollen im Mittelalter

Titel: 1227 - Verschollen im Mittelalter
Autoren: Pete Smith
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schämte sich ein bisschen für seine Lügengeschichte. Dann spurtete er los, um noch rechtzeitig in den Unterricht zu kommen.
     
     
    Dass Zeit relativ ist, erfuhr Nelson an diesem Vormittag auf eine sehr ermüdende Weise. Denn ausgerechnet heute stand »Ökonomie im Wandel der Zeiten« auf dem Stundenplan, was an sich keine Katastrophe gewesen wäre, wenn nur ein anderer als Professor Ganzauge den Unterricht gegeben hätte. Ganzauge nämlich verstand es, selbst die faszinierendsten Innovationen, die mitreißendsten Konflikte, die miesesten Affären, die aufregendsten Transaktionen und die schillerndsten Persönlichkeiten auf so fesselnde Weise zu beschreiben, dass am Ende ein grauer Nebel über allem lag, der allmählich in die Köpfe seiner Schüler sickerte und dort Lähmungserscheinungen hervorrief, von denen sich manche erst Tage später erholten.
    Während die Minuten zäh dahintropften und der monotone Singsang Professor Ganzauges durch den Raum waberte wie die Meditationsgesänge buddhistischer Mönche, überlegte Nelson krampfhaft, wie er dem Sumpf hier entkommen könnte. Kopfschmerzen erschienen ihm zu billig und Magenkrämpfe hatte er erst in der letzten Ökonomiestunde vorgetäuscht.
    Als er sich schon damit abgefunden hatte, im Sumpf zu versinken, kam Hilfe von unerwarteter Seite. Sein Tischnachbar Jason kippte seinen Stuhl ein klitzekleines Stück zu weit nach hinten, verlor das Gleichgewicht, knallte im Fallen mit dem Kopf auf die Fensterbank und blieb benommen liegen.
    Nelson reagierte als Erster. »Ich hol Frau Kunkel!«, rief er und sprintete schon los, noch bevor ihn jemand aufhalten konnte. Die Frau des Hausmeisters hatte früher als Krankenschwester gearbeitet und kümmerte sich im Internat um die Wehwehchen der Schüler.
    »Jessesmariajosef!«, stöhnte sie, als Nelson ihr den Vorfall schilderte. »Irgendwann bricht er sich noch den Hals, dieser Wackelpeter.« In aller Eile packte sie ihren Notfallkoffer und watschelte los.
    In ihrer Aufregung achtete sie nicht auf Nelson, der keine Anstalten machte, ihr zurück zum Klassenzimmer zu folgen. Stattdessen lief er von der Hausmeisterwohnung im Erdgeschoss einen Stock tiefer in den Keller. Die Gelegenheit war günstig. Frau Kunkel würde sich eine Weile um Jason kümmern und ihr Mann pflegte vormittags die Einkäufe zu erledigen.
    Als Nelson die schwere Eisentür zum Kellergewölbe öffnete, empfing ihn eine Grabesstille. Beklemmung überfiel ihn. Rasch schaltete er das Licht ein, das jedoch von den wuchtigen Wänden fast restlos verschluckt wurde. Er wandte sich nach links, wo der Raum mit den Fundsachen lag, und folgte einem Gang, der leicht abfiel und vor Jahrhunderten aus dem rohen Stein gehauen worden war. Hier und dort ragten schwere Eisenringe aus den Wänden, und Nelson wollte sich lieber nicht vorstellen, wozu man sie einst benutzt hatte.
    Der Gang mündete in ein kleines, niedriges Gewölbe, an dessen Längsseite sich ein Raum anschloss, den ein Schild auf einer primitiven Gittertür als Depot auswies. Die Tür war zum Glück unverschlossen. Nelson knipste das Licht an und blickte sich um. Lange Reihen von Regalen durchzogen den Raum, auf denen alles Mögliche lagerte – Maschinenteile, Putzzeug, Schreibutensilien, Konserven und vieles mehr. Er schritt die Reihen ab, bis er die Kisten entdeckte, die er suchte. Sie trugen verschiedene Aufschriften wie »Fundsachen«, »Beschlagnahmt« und »Unbekannt«. Sein Herz schlug schneller, als er die erste Kiste öffnete. Doch außer Jacken, Pullover, Schals und Schuhen kam nichts Aufregendes zum Vorschein. Bei zwei weiteren hatte er ebenso viel Glück. Er spürte, wie seine Unruhe wuchs. Die Zeit drängte. Er zog die erste Kiste mit der Aufschrift »Beschlagnahmt« aus dem Regal, öffnete sie und – musste grinsen. Zuoberst lagen mehrere Pornoheftchen. Darunter kam ein echtes Schwert zum Vorschein – was, um Himmels willen, hatte das hier zu suchen?! Weiter unten lagen ein paar Handys, eine Rassel und eine Steinschleuder. In der nächsten Kiste fand Nelson ein Jagdmesser, eine Gaspistole, weitere Magazine mit prallen Schönheiten auf dem Cover und schließlich sogar einen batteriebetriebenen Dildo. Nelson wunderte sich.
    Er hatte gerade wieder alles verstaut, als er plötzlich jemanden husten hörte. Sein Herz machte einen Sprung. Schritte näherten sich, die vom Geklimpere eines Schlüsselbundes begleitet wurden. Nelson spähte um die Ecke. Durch die Gittertür sah er eine allzu vertraute
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